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Auf einen Gefallenen

Von

Als Bewußtsein deines Falles
Unser armes Herz durchdrang:
Wieder wars geschehn um alles
Wir erbleichten, wurden krank.
Und die wissender sich deuchten,
Fühlten, daß sie nicht gewußt,
Als sie so verließ dein Leuchten.
Übertraf sie der Verlust.

Wie du zieltest, wie du ranntest,
Ließen froh wir dich hinweg,
Keinen Blick auf uns verwandtest
Du aus Augen stark und keck.
Eiltest herrisch durch das Leben,
Schiedest ohne letzten Wink,
Und wir fühlten dich fast schweben,
Als dein Licht schon unterging.

Wiederum in jähem Sturze
Fiel ein Knabe unbewacht,
Den es hinriß durch die kurze
Lebenszeit zu Kampf und Schlacht.
Reinem Lose, stolzem Fliegen,
Unbewußtem Überschwang,
Führe es auch nicht zu Siegen,
Schallt doch ewig der Gesang.

Was ruft die längst entschwundenen Gefühle,
Noch immer fordernd, daß ich Rede steh?
Ward nicht ein Neues durch des Todes Kühle,
Wie sich das Land verändert durch den Schnee?

Nennt ein Gespenst mir noch die taumelnd-schwüle,
Doch lang verschneite Stunde auf dem See,
Die Blumensprache und den Tanz am Bühle?
Ward nicht zur Lösung uns das weite Weh?

Mit weißer Decke feierlich bekleidet
Der Leichnam ruht, die Erde harrend steht
Und namenloser als ein Mensch, der leidet…

Was hindert das beginnende Gebet?
Ist es der grimmen Wolken wilde Reise?
Oder das dunkle Brauen unterm Eise?

Nun herrschen über ihn der Fremde Geister,
Und nur der Wind ist ein bekannt Geleit.
Nun ist er abgeschieden und verwaister
Als jemals in erwünschter Einsamkeit.

Ihn führten fort die unsichtbaren Meister,
Doch selbst ihr Hohn verließ ihn vor der Zeit.
Nun schrillt im Walde blinder und ergreister
Baumstämme über ihm der Wolken Streit.

Ein wandernd Wesen mit verlornen Sinnen
Ist seine Seele, von der Not verheert,
Rufen der Angst hebt an, ihm zu entrinnen…

Da aber wird die Tröstung neu gewährt:
Des Echo Antwort tönt nach kleiner Weile
Wie eine ferne Botschaft von dem Heile.

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Gedicht: Auf einen Gefallenen von Ernst Blass

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf einen Gefallenen“ von Ernst Blass ist eine vielschichtige und bewegende Auseinandersetzung mit dem Tod eines jungen Menschen, vermutlich im Krieg gefallen. In einer Abfolge von dichterischen Bildern und wechselnden Perspektiven wird der Gefallene nicht nur als individueller Verlust betrauert, sondern zugleich zum Sinnbild einer ganzen Generation, die durch den Krieg erschüttert wurde. Die Sprache changiert dabei zwischen konkreter Erinnerung und symbolischer Überhöhung.

In den ersten beiden Strophen wird der Fall des Toten als kollektives Trauma dargestellt. Die plötzliche Erkenntnis seines Todes lässt die Zurückgebliebenen erbleichen, krank werden, ihr Wissen erscheint ihnen rückblickend als Illusion. Der Verstorbene wird als kraftvoll und zielstrebig geschildert, der sich scheinbar unaufhaltsam durchs Leben bewegte – stolz, unnahbar, beinahe überirdisch. Gerade in seiner Selbstgewissheit und Distanz wirkt sein Tod umso tragischer und unfassbarer.

Die dritte Strophe verallgemeinert das Schicksal des Toten: Er steht nun exemplarisch für viele junge Männer, die im Überschwang und mit reinem Herzen dem Ruf zum Kampf folgten. Auch wenn diese Kämpfe keinen Sieg brachten, bleibt doch der Gesang, das poetische Gedenken an das ungebrochene Streben, das selbst im Untergang Würde bewahrt.

Die vierte und fünfte Strophe schlagen einen nachdenklicheren, fast philosophischen Ton an. Der Sprecher reflektiert über die Wirkung des Todes: Ob nicht durch das Sterben etwas Neues, Fremdes entstanden sei, wie sich eine Landschaft unter Schnee verändert. Alte Gefühle wirken wie Geister aus einer anderen Zeit, und der Schmerz erscheint inzwischen fast wie eine Antwort – eine Möglichkeit zur inneren Wandlung. Doch das Gebet, der Trost, scheint zunächst verwehrt.

Erst in der letzten Strophe blitzt ein Moment der Hoffnung auf. Die Seele des Toten, gezeichnet von Not und Angst, scheint sich in einem Zwischenzustand zu befinden – ein „wandernd Wesen mit verlornen Sinnen“. Doch plötzlich wird „die Tröstung neu gewährt“: Ein Echo, eine ferne Antwort, klingt wie eine verheißungsvolle Botschaft des Heils. Damit endet das Gedicht nicht in Verzweiflung, sondern in einer leisen, beinahe spirituellen Hoffnung – dass selbst im Tod noch etwas Tröstliches, vielleicht sogar Erlösendes liegt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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