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Abendstimmung

Von

Stumm wurden längst die Polizeifanfaren,
Die hier am Tage den Verkehr geregelt.
In süßen Nebel liegen hingeflegelt
Die Lichter, die am Tag geschäftlich waren.

An Häusern sind sehr kitschige Figuren.
Wir treffen manche Herren von der Presse
Und viele von den aufgebauschten Huren,
Sadistenzüge um die feine Fresse.

Auf Hüten plauschen zärtlich die Pleureusen:
O daß so selig uns das Leben bliebe!
Und daß sich dir auch nicht die Locken lösen,
Die angesteckten Locken meiner Liebe!

Hier kommen Frauen wie aus Operetten
Und Männer, die dies Leben sind gewohnt
Und satt schon kosten an den Zigaretten.
In manchen Blicken liegt der halbe Mond.

O komm! o komm, Geliebte! In der Bar
Verrät der Mixer den geheimsten Tip.
Und überirdisch, himmlisch steht dein Haar
Zur Rötlichkeit des Cherry-Brandy-Flip.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Abendstimmung von Ernst Blass

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abendstimmung“ von Ernst Blass beschreibt eine nächtliche Szene in einer Stadt, die sowohl die Hektik des Alltags als auch eine surreale, fast traumhafte Atmosphäre einfängt. Zu Beginn wird die Ruhe nach dem hektischen Tag eingeführt, indem die „Polizeifanfaren“ – Symbol für Ordnung und Kontrolle – verstummen. Diese Ruhe wird durch die „süßen Nebel“, in denen die Lichter „hingeflegt“ liegen, noch verstärkt. Die Lichter, die tagsüber dem geschäftlichen Treiben dienten, erscheinen nun wie in einem Zustand des Stillstands und der Entfremdung. Die Szene ist von einer melancholischen Ruhe durchzogen, in der der Tagesverkehr einem eher träumerischen Zustand gewichen ist.

In der zweiten Strophe stellt Blass die Stadt und ihre Bewohner in einer Art groteskem Licht dar. Die „kitsche Figuren“ an den Häusern und die „aufgebauschten Huren“ zeichnen ein Bild von Oberflächlichkeit und Künstlichkeit. Es wird eine Welt gezeigt, die von Verstellung und Schein geprägt ist, wobei die „Herren von der Presse“ und „Sadistenzüge“ eine Gesellschaft von Menschen zeigen, die in ihrer Selbstinszenierung gefangen sind. Das Bild dieser Stadt ist eine der Heuchelei, der Oberflächlichkeit und des verlogenen Glanzes, in dem sich das wahre Leben nicht mehr erkennen lässt.

Die dritte Strophe führt eine verstärkte Ironie und Absurdität ein, indem sie die „Pleureusen“, die auf den Hüten „zärtlich plauschen“, in den Mittelpunkt rückt. Die Formulierungen „O daß so selig uns das Leben bliebe“ und „die angesteckten Locken meiner Liebe“ geben der Szene einen fast karikaturhaften, übertriebenen Ton, der die Verlogenheit und die selbstgefällige Darstellung von Glück und Liebe anprangert. Der Dichter kritisiert hier die Oberflächlichkeit der Liebe und das Streben nach einer idealisierten, unnatürlichen Form des Lebens.

Im letzten Teil des Gedichts wird der nächtliche Ausklang durch eine Szene in einer Bar eingefangen. Die „Frauen wie aus Operetten“ und die „Männer, die dieses Leben gewöhnt“ sind, scheinen eine Welt der Entfremdung und des Konsums zu repräsentieren. Der „halbe Mond“ in den Blicken und die Darstellung der Bar als ein Ort der Enthemmung und Geheimnisse verstärken die surreale und flüchtige Atmosphäre der Nacht. Der abschließende Aufruf an die „Geliebte“ und das Bild des „Cherry-Brandy-Flip“ unterstreichen die Vergänglichkeit und Oberflächlichkeit des Genusses und der Beziehungen in dieser städtischen, fast dekadenten Welt. Das Gedicht endet mit einem Bild von flimmernder Sinnlichkeit, das aber genauso schnell verblasst wie die Nacht selbst.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.