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Das trunkne Lied

Von

O Mensch! Gib, acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
„Ich schlief, ich schlief –
aus tiefem Traum bin ich erwacht: –
Die Welt ist tief,
und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust – tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: vergeh!
doch alle Lust will Ewigkeit -,
– will tiefe, tiefe Ewigkeit

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Gedicht: Das trunkne Lied von Friedrich Nietzsche

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das trunkne Lied“ von Friedrich Nietzsche taucht tief in die dunklen und komplexen Dimensionen des Lebens und des menschlichen Daseins ein. Zu Beginn fordert der Sprecher den „Menschen“ auf, achtzugeben und sich der Weisheit der „tiefe[n] Mitternacht“ zu öffnen. Die Mitternacht symbolisiert hier nicht nur die physische Zeit, sondern auch den Moment der tiefen Reflexion und Erkenntnis, in dem der Mensch mit den fundamentalen Wahrheiten des Lebens konfrontiert wird. Der Sprecher gibt zu, dass er in einen tiefen Traum versunken war, aber nun erwacht ist, um die „tiefe“ Wahrheit der Welt zu erkennen.

In der zweiten Strophe erklärt der Sprecher, dass die Welt „tief“ ist, viel tiefer, als der Tag oder das normale Bewusstsein es erfasst. Diese Tiefe symbolisiert das Unbewusste, die ungreifbaren und unerforschten Bereiche des Lebens, die jenseits der gewöhnlichen Wahrnehmung liegen. Nietzsche verweist darauf, dass die Welt nicht nur oberflächlich zu verstehen ist, sondern dass in ihrer Tiefe sowohl Schmerz als auch Lust verborgen sind. Diese Tiefen sind nicht nur metaphorisch, sondern beinhalten die existenziellen Dimensionen des Lebens, in denen das menschliche Leid und die Freude eine fundamentale Bedeutung haben.

In der dritten Strophe wird die Dialektik von Leid und Lust thematisiert. „Weh“ wird als etwas beschrieben, das vergehen soll, als etwas Vergängliches und Endliches. Doch die Lust verlangt nach „Ewigkeit“. Nietzsche spricht hier die grundlegende menschliche Erfahrung an: Das Leid ist vergänglich, aber die Lust, die Intensität des Lebens, strebt nach Beständigkeit und Unsterblichkeit. Diese Lust sucht die „tiefe, tiefe Ewigkeit“, was eine Art des Verlangens nach etwas Höherem und Dauerhaftem ausdrückt, das über das Vergängliche hinausgeht.

Das Gedicht vermittelt eine tief philosophische Betrachtung des menschlichen Lebens, indem es den Widerspruch zwischen Leid und Lust aufzeigt. Nietzsche fordert den Leser auf, diese Widersprüche zu erkennen und sich mit den tiefsten und oft schmerzlichen Wahrheiten des Daseins auseinanderzusetzen. Die Lust, die nach Ewigkeit strebt, stellt einen zentralen Aspekt von Nietzsches Philosophie dar, in der der Mensch sein Leben in seiner vollen Intensität und Tiefe erfahren soll, auch wenn dies bedeutet, sich den dunklen Aspekten des Daseins zu stellen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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