Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

Hochzeitslied

Von

Aus der Eltern Macht und Haus
Tritt die züchtge Braut heraus
An des Lebens Scheide –
Geh und lieb und leide!

Freigesprochen, unterjocht,
Wie der junge Busen pocht
Im Gewand von Seide –
Geh und lieb und leide!

Frommer Augen helle Lust
Überstrahlt an voller Brust
Blitzendes Geschmeide –
Geh und lieb und leide!

Merke dirs, du blondes Haar:
Schmerz und Lust Geschwisterpaar,
Unzertrennlich beide –
Geh und lieb und leide!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Hochzeitslied von Conrad Ferdinand Meyer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hochzeitslied“ von Conrad Ferdinand Meyer beschreibt die Zerrissenheit und das Spannungsverhältnis zwischen Freude und Leid im Eheleben, das gleich zu Beginn mit der Darstellung der Braut als eine junge Frau, die aus dem „Eltern Macht und Haus“ tritt, eingeführt wird. Diese Vorstellung der „züchtigen Braut“, die sich an der „Scheide“ des Lebens befindet, symbolisiert den Übergang von der Unabhängigkeit der Kindheit oder Jugend in das verbindliche und verantwortungsvolle Leben der Ehe. Die wiederholte Aufforderung „Geh und lieb und leide!“ deutet auf die Herausforderungen hin, die die Braut erwarten, sowohl in der Liebe als auch im Leid. Es ist ein Hinweis auf die Komplexität des Lebens, das sie nun betreten wird.

Die Formulierung „Freigesprochen, unterjocht“ beschreibt die doppelte Natur der Ehe – einerseits gibt es die Freiheit, aber gleichzeitig auch eine Form der Unterwerfung und Verpflichtung. Das Bild des „jungen Busens“, der unter dem „Gewand von Seide“ pocht, symbolisiert die aufkeimende Leidenschaft und die innere Aufgewühltheit der Braut, die sich auf den neuen Lebensweg einlässt. Diese Zeilen betonen den Übergang von der Unschuld in die emotionale und körperliche Erfahrung, die mit der Liebe und der Ehe verbunden ist, und verdeutlichen den Gegensatz von Freiheit und Unterwerfung, der in jeder Beziehung steckt.

Die „frommen Augen“ und das „Blitzende Geschmeide“ vermitteln ein Bild von Reinheit und Schönheit, das die Braut von außen trägt. Doch das Gedicht erinnert daran, dass auch hinter dieser äußeren Pracht eine tiefe, innere Wahrheit liegt – dass die Ehe nicht nur von Freude und glänzenden Momenten geprägt ist, sondern auch von Schmerz und Entbehrungen. „Blitzendes Geschmeide“ könnte hierbei auf die materielle Seite der Ehe hinweisen, die jedoch nur oberflächlich glänzt und von der Realität des Lebens und der Gefühle nicht befreit.

Am Ende des Gedichts wird der Zusammenhang von „Schmerz und Lust“ betont, die als „Geschwisterpaar“ untrennbar miteinander verbunden sind. Das Bild der „blonden Haare“, das traditionell mit Schönheit und Unschuld assoziiert wird, wird hier mit einer wichtigen Lektion konfrontiert: dass in der Ehe nicht nur Liebe und Freude, sondern auch Leid und Schmerz anwesend sind. Diese beiden Aspekte sind untrennbar miteinander verknüpft, und der Braut wird nahegelegt, sich diesem Zwiespalt zu stellen. Die wiederholte Aufforderung „Geh und lieb und leide!“ zieht sich durch das Gedicht wie ein Leitmotiv und reflektiert die wesentliche Wahrheit des Ehelebens – dass Freude und Leid immer Hand in Hand gehen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.