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Abendstunde

Von

Die Lampe brennt so stille,
Und wirft mir milden Schein,
Sie scheint mit mir zu klagen,
Als kennt‘ sie meine Pein.

Sie sieht mich stets so einsam,
In meine Brust versenkt,
Wenn tiefe Geistgestalten
Die Phantasie erdenkt.

Sie scheinet selbst zu ahnen,
Dass ihr armflackernd Licht
Vor einer Glut versinket,
Die aus dem Busen bricht.

Doch ach! die Glut, sie ruhet,
Nicht in sich selber mehr,
Es sind nur schwache Strahlen
Aus Deiner Seele Meer.

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Gedicht: Abendstunde von Karl Marx

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abendstunde“ von Karl Marx ist ein stilles, introspektives Stück, das von Einsamkeit, innerem Schmerz und der Macht der Erinnerung oder unerfüllten Sehnsucht durchzogen ist. Marx – hier als junger, sensibler Dichter – verwendet das Bild der Lampe als vertrauten Begleiter in der Einsamkeit der Nacht, der fast menschliche Züge bekommt und zum Mitfühlenden wird.

Schon in der ersten Strophe wird die Lampe personifiziert – sie „klagt“ mit dem Sprecher, „als kennt’ sie meine Pein“. Diese zarte Projektion des Innenlebens nach außen ist typisch für die romantische Tradition, in der Gegenstände zum Spiegel seelischer Zustände werden. Die abendliche Stimmung verstärkt die Melancholie und das Gefühl der Abgeschiedenheit.

In den mittleren Strophen verdichtet sich das Thema der Einsamkeit. Der Sprecher versinkt in sich selbst, in „tiefe Geistgestalten“, die seine „Phantasie erdenkt“. Hier öffnet sich ein Raum des Denkens und Träumens, in dem jedoch keine Lebendigkeit mehr wohnt – das Licht der Lampe „flackert“ nur noch schwach, fast wie ein Echo einer einstigen Glut. Die Spannung zwischen äußerem Licht und innerem Feuer verweist auf eine erschöpfte Leidenschaft, eine Energie, die einst brannte, nun aber nur noch in Spuren fortlebt.

Die letzte Strophe bringt diese Entwicklung auf den Punkt: Die Glut, einst im eigenen Innern mächtig, ist nun bloß noch Widerschein eines anderen – der oder des Geliebten. „Es sind nur schwache Strahlen / Aus Deiner Seele Meer.“ Das lyrische Ich ist nicht mehr Quelle der eigenen Kraft, sondern von einer fremden, vielleicht vergangenen Liebe abhängig. Diese Beziehung bleibt vage, vielleicht unerwidert oder unerreichbar, aber sie bestimmt das emotionale Leben des Sprechers vollständig.

„Abendstunde“ ist somit ein Gedicht leiser, resignierter Sehnsucht. Es spricht von emotionaler Abhängigkeit, der Erschöpfung des inneren Feuers und dem Rückzug ins einsame Nachdenken. Die zarte, fließende Sprache und das Bild der flackernden Lampe verleihen dem Text eine stille, beinahe hoffnungslose Intimität – ein melancholischer Blick in eine Seele, die sich nach vergangener Wärme sehnt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.