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…straße, Berlin S

Von

Alles erzählt mir von meinem Glücke –
Wie es sich schuf und wie es in Stücke
Ging – Alles erzählt mir davon!
Alles erzählt mir von jenen Tagen,
Wie sie entstanden – doch wie ich tragen
Diese soll, davon erzählt mir kein Ton.

Hundertmal wandere ich durch die Straßen,
Wieder und wieder! – O über die Maaßen
Teurer, geliebter, geheiligter Ort!
Und was bist du? – Nur eine Gasse,
– Seh ich sie nicht, o wie ich sie hasse! –
Drin alles Leben hinsiecht und verdorrt!

Aber dein Fuß hat sie beschritten!
Aber hier hast du gejauchzt und gelitten!
Und wir beide, wir fanden uns hier!
Was unerträglich ist, hier kann ich’s tragen –
Alles erzählt hier von jenen Tagen,
Alles von meinem Glücke mir!…

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Gedicht: …straße, Berlin S von John Henry Mackay

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „…straße, Berlin S“ von John Henry Mackay ist eine tief emotionale Reflexion über Erinnerung, Verlust und die Bindung an einen Ort durch gelebte Liebe. In einer Mischung aus persönlicher Klage und sehnsüchtiger Beschwörung wird die Straße zum Symbol einer vergangenen, intensiven Beziehung – eines Glücks, das unwiderruflich verloren scheint.

Bereits die ersten Verse verweisen auf den zentralen Widerspruch: Alles in der Umgebung erinnert das lyrische Ich an das vergangene Glück und dessen Zerbrechen. Die Wiederholung „Alles erzählt mir…“ unterstreicht die Allgegenwart der Erinnerung, doch bleibt die Frage unbeantwortet, wie mit diesem Schmerz zu leben ist. Der Ort wird zur Projektionsfläche für innere Zerrissenheit – er bewahrt das Glück und konfrontiert zugleich mit dem Verlust.

Die zweite Strophe schildert die rastlose Bewegung durch die Straßen, ein ruheloses Suchen nach etwas, das nicht mehr da ist. Die Gasse, scheinbar unscheinbar, wird zur „heiligen“ Stätte – aber nur, weil sie mit Erinnerungen aufgeladen ist. In nüchterner Wirklichkeit ist sie trostlos, verwelkt, bedeutungslos. Der Hass auf sie entspringt dem Schmerz darüber, dass sie jetzt nur noch leere Hülle ist – einst bedeutungsvoll durch Liebe, nun stummes Zeugnis des Vergangenen.

Die dritte Strophe steigert die Ambivalenz noch einmal. Der Ort ist unerträglich – und doch erträglich, weil die geliebte Person ihn mit ihrer Anwesenheit einst durchdrungen hat. Die Erinnerung gibt dem Ort Bedeutung, macht ihn zum Mittelpunkt einer existenziellen Erfahrung, die Glück und Schmerz untrennbar miteinander verbindet.

Insgesamt zeigt Mackay in diesem Gedicht die unauflösbare Verknüpfung von Ort, Zeit und Gefühl. Die Straße wird zum Symbol einer persönlichen Geschichte, die nur noch im Schmerz weiterlebt. Es ist ein stilles, aber eindringliches Gedicht über die Macht der Erinnerung, die sich nicht abschütteln lässt, und über den paradoxen Trost, den ein gequälter Ort doch noch spenden kann – weil er Zeuge gelebter Liebe war.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.