Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, ,

Skizze

Von

Am schwarzverhängten Himmelstor
Steht breit der helle Mond
Und sorgt für Gottes-Ruh.

Wolken ungeheuer, tauchen auf.
Perlmutterschuppig. Sie glotzen
Den Wächter dumm an und schleichen
Sich heimtückisch an ihm vorbei.

Erdunten, wo die Menschen schlafen
In dunklen Hütten, jagt Frau Nacht
Mit Silberlanzen auf Schattenwild

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Skizze von Hugo Ball

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Skizze“ von Hugo Ball ist eine kurze, eindrucksstarke Momentaufnahme, die in wenigen Zeilen eine surreale nächtliche Szenerie entwirft. Es mischt Naturbeobachtung mit symbolischer Überhöhung und spielt dabei mit mythischen und grotesken Bildern, wie sie typisch für Balls expressionistischen Stil sind. Der Titel „Skizze“ deutet dabei bewusst auf die Fragmenthaftigkeit des Textes hin – ein poetischer Entwurf, der mehr andeutet als erklärt.

Im Zentrum steht die nächtliche Himmelslandschaft: Der „helle Mond“ erscheint fast wie ein Wächter am „schwarzverhängten Himmelstor“, eine Art kosmischer Hüter der „Gottes-Ruh“. Bereits hier wird eine spirituelle Dimension aufgerufen, in der der Mond nicht nur Lichtquelle, sondern aktives Element eines göttlichen Ordnungsgefüges ist. Doch diese Ordnung ist bedroht: „Wolken ungeheuer“ mit „Perlmutterschuppen“ erscheinen und schleichen sich „heimtückisch“ vorbei – personifiziert, glotzend, trickreich. Der Himmel wirkt nicht still, sondern belebt, spannungsgeladen, fast theatralisch.

Im unteren Bildfeld – „Erdunten“ – wechseln Ton und Fokus. Die Menschen schlafen, ahnungslos, in ihren „dunklen Hütten“, während über ihnen Frau Nacht jagt. Diese Figur, „Frau Nacht“, mit „Silberlanzen“ auf „Schattenwild“, evoziert eine mythisch-fantastische Szene, die den Traum, das Unbewusste oder auch die Vergänglichkeit symbolisieren könnte. Die Nacht wird nicht als ruhige Hülle dargestellt, sondern als aktive Jägerin, die mit scharfen Waffen durchs Dunkel streift.

Insgesamt lebt das Gedicht von seinem dichten Symbolismus und der suggestiven Sprache. Die Trennung zwischen Himmel und Erde, zwischen göttlicher Ordnung und dunkler Bewegung, zwischen Schlaf und Jagd, ruft eine Atmosphäre der Unsicherheit und Spannung hervor. Die Bilder bleiben rätselhaft, offen für Deutung – wie eine nächtliche Vision, die sich nur andeutungsweise erschließt.

„Skizze“ ist damit ein typisches Beispiel für Hugo Balls Ausdrucksweise: poetisch verdichtet, symbolisch überhöht und durchzogen von einer tiefen Ahnung des Unbewussten, das unter der Oberfläche des Sichtbaren wirkt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.