Ohne falsche Zeugen
Das Mondlicht räumt den Alltag aus.
Es knackt im Holz:
Ein alter Wald geht durch das Haus.
In seine Einsamkeit entzückt,
Bin ich es noch,
Der seinen Stuhl zum Tische rückt?
Die Eiche zeigt ihr Astgeweih,
Mein Rosenglas
Setzt unter ihm sein Totes bei.
Um diesen Blätterfall vermehrt,
Erglänzt das Licht
Des Leuchtens, das kein Blick versehrt.
Von keines Zeugen Ohr bezeugt,
Schwebt aus dem Wald
Ein Klingen, das den Kopf mir beugt.
Erkennst du uns? Schön lebt es fort,
Wir hören gut,
Kein falscher Bürge trübt dein Wort.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ohne falsche Zeugen“ von Oskar Loerke entfaltet sich als eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Natur, der Einsamkeit und der Wahrnehmung der eigenen Existenz. Zu Beginn steht das Bild des „Mondlichts“, das den Alltag „ausräumt“, was symbolisch für das Entfernen von alltäglichen Sorgen und der Rückkehr zu einer ursprünglicheren Wahrnehmung steht. Der „alte Wald“, der „durch das Haus geht“, stellt eine Verbindung zwischen der zivilisierten Welt und der Natur her, die als ewiger, lebendiger Teil der Welt erscheint, der den Menschen sowohl beunruhigt als auch fasziniert.
Die Frage „Bin ich es noch, / Der seinen Stuhl zum Tische rückt?“ verweist auf eine existentielle Unsicherheit, die durch das Mondlicht und die unheimliche Präsenz des Waldes verstärkt wird. Der Erzähler scheint sich in einer surrealen Stimmung zu befinden, die ihm die eigene Identität und seine Handlungen hinterfragen lässt. Die „Eiche“ und das „Astgeweih“ als Symbole für alte Weisheit und Beständigkeit kontrastieren mit dem „Rosenglas“, das „sein Totes bei“ setzt. Hier wird der Zyklus von Leben und Tod thematisiert, wobei der Tod nicht als Ende, sondern als Teil eines fortwährenden Prozesses des Lebens und der Erneuerung dargestellt wird.
Die nächste Strophe beschreibt einen „Blätterfall“, der das Licht verstärkt, das „kein Blick versehrt“. Dieses Bild könnte für das tiefe Verständnis von Dingen stehen, die nur im Stillen und im Einklang mit der Natur erkennbar werden. Der „Blätterfall“ ist eine Metapher für den natürlichen Fluss der Zeit, der das Licht der Erkenntnis auf eine Art und Weise entfaltet, die nicht durch äußere Einflüsse verzerrt werden kann. Es ist ein Wissen, das nicht „bezeugt“ wird, sondern in sich selbst trägt.
Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Vereinigung und des tiefen Verständnisses. Das „Klingen“ aus dem Wald beugt den Kopf des Erzählers, was auf eine spirituelle oder mystische Erkenntnis hinweist. „Kein falscher Bürge trübt dein Wort“ könnte darauf hinweisen, dass in der Einsamkeit und im Einklang mit der Natur die wahre Wahrheit erkannt wird, frei von äußeren falschen Zeugen oder Ablenkungen. In dieser Stille lebt die Schönheit weiter und wird von denjenigen gehört, die in der Lage sind, diese wahre, unverfälschte Erfahrung zu verstehen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.