Im Johannisheu
Müßige Gedanken steuern
In die Sümpfe zu den Mummeln,
In die Wiesen zu den Hummeln,
Braten auf heißen Meilensteinen,
Wimmeln wie mit Käferbeinen
Über Borke, Kraut und Farren,
Knarren mit im Rabenknarren
Aus dem Pflaumbaum hinter Scheuern.
Lieben Freunde, lasst mich liegen,
Denn ich weiß nicht in der Eile,
Wo in aller Welt ich weile,
Bin auf einen Baum geraten,
Werd am Meilenstein gebraten;
Kann ich, bei Mummeln ertrunken, wissen,
Dass ich lieg auf Jungheukissen?
Lieben Leute, lasst mich liegen!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Im Johannisheu“ von Oskar Loerke ist eine spielerische, fast surreale Auseinandersetzung mit der Zeit, der Natur und der Suche nach innerer Ruhe. Die erste Strophe beschreibt eine Art ziellose Wanderung der Gedanken, die sich in die „Sümpfe zu den Mummeln“ oder „die Wiesen zu den Hummeln“ bewegen. Diese Bildsprache suggeriert eine friedliche, aber auch chaotische Bewegung, die durch den wilden, lebendigen Austausch mit der Natur gekennzeichnet ist. Die „Braten auf heißen Meilensteinen“ und das „Wimmeln wie mit Käferbeinen“ sind groteske, fast humorvolle Bilder, die die Lebendigkeit und das Durcheinander der Gedanken und Eindrücke verdeutlichen, die der Sprecher in der Natur erlebt. Die wiederholten Geräusche – „Knarren“ und „Rabenknarren“ – verstärken diesen Eindruck der Unruhe und des gleichzeitigen Verweilens in einer chaotischen, aber doch faszinierenden Welt.
In der zweiten Strophe wird das Bild der „Mummeln“ und „Meilensteine“ weitergeführt, wobei der Sprecher mit der Frage kämpft, wo er sich eigentlich befindet und was er in der Eile erreicht hat. Diese Unsicherheit und das Fehlen einer klaren Zielrichtung sind Ausdruck eines inneren Zustands des Umherirrens, in dem sich der Sprecher nach Orientierung sehnt. Doch das Gedicht bleibt in dieser Verwirrung gefangen: Der Sprecher fragt sich, ob er, „bei Mummeln ertrunken“, wirklich wissen kann, dass er auf „Jungheukissen“ liegt. Diese Mischung aus Unklarheit und Bildreichtum verweist auf eine Entfremdung vom Alltag und eine Verneinung der Eile und des Drucks, der das Leben normalerweise bestimmt. Die Frage nach der Bedeutung oder dem Ziel des Daseins bleibt unbeantwortet, was zu einer Art existenziellen Resignation führt.
Die wiederholte Aufforderung „Lieben Freunde, lasst mich liegen!“ wird zu einem zentralen Moment des Gedichts. Der Sprecher zieht es vor, in dieser chaotischen, unbestimmten Welt zu verweilen und verweigert sich der Hektik des Lebens. Die Bilder der Mummeln und des „Meilensteins“, die er als metaphorische Symbole für die Herausforderungen des Lebens ansieht, verstärken das Gefühl der Resignation und des Rückzugs. Er ist sich der Eile und des „Wissens“ nicht mehr sicher, sondern wünscht sich lediglich, in der Ruhe der Natur zu verweilen.
Insgesamt vermittelt Loerke in diesem Gedicht eine Haltung der Ablehnung gegenüber den Zwängen der Zeit und der Welt. Der Sprecher möchte in seinem „Johannisheu“ verbleiben, einem Bild für die Idylle und Ruhe der Natur, und sich nicht von der Hektik der Welt aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Das Gedicht fordert dazu auf, in der eigenen Unklarheit und Verwirrung innezuhalten und sich der Entschleunigung und der Verbindung zur Natur hinzugeben. Es ist ein plädoyer für das Leben im Moment und die Akzeptanz des Chaos, das in der Natur und im eigenen Denken existiert.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.