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Genesungsheim

Von

Was schlug man diesen zum Krüppel?
Er dachte hinter der Stirn:
Da öffnete ihm der Knüppel
Den Schädel, und Hirn war nur Hirn.

Warum haben Jauche-Humpen
Dort jenen die Augen verbrannt?
Sie haben einen Lumpen
Einen Lumpen genannt.

Warum schweigt dieser im Knebel?
Weil sein Gewissen schrie!
Wes Kopf sprang zum Reiche der Nebel?
Dessen Gurgel vor Ekel spie!

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Gedicht: Genesungsheim von Oskar Loerke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Genesungsheim“ von Oskar Loerke vermittelt auf eindrucksvolle Weise die Brutalität und Grausamkeit von Gewalt sowie die unaufhörliche, qualvolle Wirkung auf den menschlichen Geist. In der ersten Strophe wird ein Bild des Leidens und der Zerstörung durch Gewalt gezeichnet: Ein Mensch wird durch den „Knüppel“ zum „Krüppel“ geschlagen. Der „Schädel“, der durch die Gewalt geöffnet wird, lässt nur „Hirn“ zurück – ein starkes Bild für die Zerstörung der geistigen und körperlichen Unversehrtheit, das die Unmenschlichkeit der Handlung unterstreicht. Der Erzähler lässt uns mit der Frage „Warum?“ zurück, was eine tiefere moralische Reflexion über die Ursache dieser Grausamkeit anregt.

In der zweiten Strophe wird der Leser mit der Frage konfrontiert, warum die Augen eines anderen Menschen durch „Jauche-Humpen“ verbrannt wurden. Die Antwort, dass derjenige „einen Lumpen genannt“ wurde, verweist auf die abwertende Bezeichnung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Abfall des Opfers. Es wird eine direkte Verbindung zwischen Erniedrigung und der darauffolgenden Gewalt hergestellt, was eine harte Kritik an der Gesellschaft und ihren Werten bedeutet. Die Gewalttätigkeit wird hier als eine Form der Rache oder Reaktion auf soziale Ausgrenzung dargestellt.

Die dritte Strophe stellt die Frage nach dem „Knebel“ und dem Schweigen eines weiteren Opfers. Die Antwort darauf, dass das Gewissen desjenigen schreit, lässt darauf schließen, dass das Schweigen nicht aus Unfähigkeit oder Angst, sondern aus einem tiefen inneren Konflikt resultiert. Es ist der „Knebel“ des eigenen Gewissens, der ihn zum Schweigen bringt, was die moralische Zerrissenheit und die Schuld der beteiligten Personen widerspiegelt. Das Bild des „Reiches der Nebel“ und der „Gurgel vor Ekel“ deutet auf die Entfremdung des Menschen von sich selbst hin, die durch Gewalt und innere Zerrissenheit verursacht wird. Die Nebel können dabei als Metapher für den Verlust von Klarheit und Verständnis für das eigene Handeln verstanden werden.

Loerke nutzt in diesem Gedicht starke, erschütternde Bilder, um die Auswirkungen von Gewalt und die Unmenschlichkeit menschlichen Verhaltens zu kritisieren. Der „Genesungsheim“ ist dabei kein Ort der Heilung, sondern ein Symbol für die fortwährende Qual und den inneren Konflikt, die aus der Zerstörung des Körpers und der Seele resultieren. Das Gedicht fordert den Leser heraus, über die Ursprünge der Gewalt nachzudenken und die Auswirkungen auf das Gewissen und die menschliche Psyche zu erkennen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.