Ist′s denn wirklich so groß, das vatican′sche Museum,
Wie viel hätte man denn nöthig, es ganz zu durchgehn?
»Wohl drei Stunden, mein Herr, doch die Kunst -« Ich bin ein berühmter
Läufer, basta, und so komm′ ich in anderthalb durch.
Vatican
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Vatican“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine humorvolle Auseinandersetzung mit der Kunstbetrachtung und dem Anspruch, alles zu sehen und zu verstehen. Es beginnt mit einer scheinbar ehrfürchtigen Frage nach der Größe des vatikanischen Museums, um dann in einer ironischen Selbstgefälligkeit zu münden.
Die erste Strophe stellt die Frage nach dem zeitlichen Aufwand, um das Museum zu durchlaufen. Die Antwort deutet auf die Fülle der Kunstwerke und die Notwendigkeit der Muße hin, um sie angemessen zu würdigen. Der Sprecher jedoch unterbricht diese erhabene Betrachtung mit einer selbstbewussten Feststellung seiner Fähigkeiten. Seine „berühmte[r]“ Läufer –Qualitäten werden stolz hervorgehoben.
Der zweite Teil des Gedichts, der nur aus dem letzten Vers besteht, ist der Clou. Er reduziert die Kunstbetrachtung auf einen rein quantitativen Aspekt: Wie schnell kann man durch das Museum hetzen? Das „basta“ zeigt die Geringschätzung gegenüber der Kunst und die Betonung der eigenen Leistung, nämlich die „anderthalb [Stunden]“. Diese Verkürzung der Zeit, in der das Museum durchlaufen werden soll, offenbart eine mangelnde Wertschätzung für die Kunst.
Waiblinger spielt hier mit der Erwartung des Lesers und enthüllt auf subtile Weise die Eitelkeit und Oberflächlichkeit des Sprechers. Der Kontrast zwischen der Frage nach der Größe des Museums und der darauf folgenden, sportlichen Herausforderung, es möglichst schnell zu durchlaufen, erzeugt eine komische Wirkung. Das Gedicht kritisiert implizit eine gewisse Art von Reisender, die mehr Wert auf das Abhaken von Sehenswürdigkeiten als auf das wirkliche Erleben der Kunst legt.
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