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Tempel des Jupiter Stator

Von

Dir erbaute das siegende Rom, o Jupiter Stator,
Dankbar ein Säulenhaus, weil du es siegen gelehrt.
Herrscher, durch deine Macht triumphirte der Römer und beugte
Seinem Scepter die Welt, die du für deinen bestimmt.
Freilich warst du ein heidnischer Gott, und glichest den Menschen,
Doch die Menschen dafür glichen dem Göttergeschlecht.
Nun ist′s anders, am Haus des Olympiers hängen Gerüste,
Und mit Zirkel und Maaß forscht man das Dasein ihm aus.

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Gedicht: Tempel des Jupiter Stator von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Tempel des Jupiter Stator“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine melancholische Betrachtung über den Verfall der klassischen Welt und den Wandel der Zeit. Es thematisiert den Kontrast zwischen der glorreichen Vergangenheit des Römischen Reiches und der nüchternen, wissenschaftlichen Gegenwart. Die Errichtung eines Tempels für Jupiter Stator durch das siegreiche Rom symbolisiert die Dankbarkeit und den Glauben der Römer an ihre Götter und ihre Macht. Der Dichter beschwört die Größe der Römer herauf, die durch die Gunst Jupiters die Welt eroberten und unterwarfen.

Die ersten vier Verse zeichnen ein Bild von Macht, Triumph und religiösem Glauben. Jupiter, der Gott, wird als Unterstützer und Garant des römischen Sieges gefeiert. Die Beschreibung des Säulenhauses, des Tempels, unterstreicht die Ehrfurcht der Römer vor ihren Göttern und die Pracht ihres Reiches. Waiblinger hebt die enge Verbindung zwischen Göttern und Menschen hervor, indem er sagt, dass die Menschen den Göttern glichen. Diese enge Verbindung, dieses gegenseitige Spiegeln, wird als Kennzeichen der glorreichen Vergangenheit des Reiches dargestellt. Der Dichter idealisiert die Vergangenheit und lässt die Vorstellung von einer Zeit der Harmonie und des Glaubens entstehen.

Der zweite Teil des Gedichts vollzieht einen drastischen Wandel. Die Worte „Nun ist’s anders“ markieren einen Bruch mit der Vergangenheit. Der Tempel, einst ein Symbol der Verehrung und des Glaubens, ist nun dem Verfall preisgegeben. Gerüste zeugen von Baumaßnahmen, die auf eine pragmatische und wissenschaftliche Herangehensweise an die Welt hinweisen. Anstelle der Ehrfurcht und des Glaubens dominiert nun die wissenschaftliche Untersuchung, die durch „Zirkel und Maaß“ repräsentiert wird. Das „Ausforschen“ des Daseins deutet auf einen Verlust der alten Werte und eine Hinwendung zur rationalen Analyse, zum Verlust von Mythos und Magie.

Waiblinger drückt hier ein tiefes Gefühl der Nostalgie und des Verlustes aus. Er beklagt den Wandel von einer Welt, die von Glauben und Ehrfurcht geprägt war, zu einer Welt, die von wissenschaftlicher Neugier und rationaler Analyse dominiert wird. Die Gerüste am Tempel und das „Ausforschen“ mit Zirkel und Maß symbolisieren den Verlust der Romantik und die nüchterne Betrachtung der Welt. Das Gedicht ist somit eine Reflexion über den Lauf der Geschichte, den Verlust alter Werte und den Aufstieg der modernen Welt. Es ist eine subtile Klage über den Verlust von Schönheit und Glauben angesichts des Fortschritts.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.