Armer Tempel, wie droht dein Rundgewölbe zu stürzen,
Nur das mächt′ge Gebälk hält dein verwittert Gebäu.
Wenn die Weisheit nichts gilt, die heilende, fällt auch der Tempel,
Und aus Sonderbarkeit hält man das Ding noch so so.
Tempel der Minerva Medica
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Tempel der Minerva Medica“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine klagevolle Betrachtung über den Verfall und die Wertlosigkeit von Weisheit und Heilung in einer veränderten Welt. Das Gedicht beginnt mit einem direkten Appell an den Tempel, der dem Zerfall geweiht ist, wobei die einst majestätische Rundgewölbe zu stürzen droht. Die Erwähnung des „mächt′gen Gebälks“ deutet darauf hin, dass nur die strukturelle Stärke des Gebäudes, das Fundament, noch Bestand hat, während die äußere Erscheinung, die Schönheit und die Bedeutung des Tempels, bereits erodiert sind.
Die zentrale Aussage des Gedichts liegt in der zweiten Zeile, in der die Verbindung zwischen Weisheit und dem Tempel hergestellt wird. Wenn die Weisheit, symbolisiert durch Minerva, die Göttin der Weisheit und Heilkunst, keine Bedeutung mehr hat, wird auch der Tempel als physischer Ort des Wissens und der Heilung fallen. Diese Zeile ist ein deutlicher Ausdruck von Waiblingers Sorge über den Verlust von Werten und das Aufkommen einer Epoche, in der Wissen und Vernunft keine Rolle mehr spielen. Der Autor betont, dass die Essenz des Tempels, die Lehre und die Heilung, von geringem Wert sind, wenn die Gesellschaft sie nicht respektiert.
Die letzten beiden Zeilen verstärken die Melancholie und das Gefühl des Verlustes. Der Dichter beklagt den Niedergang der Weisheit und suggeriert, dass die Bedeutung des Tempels und seiner Lehren nicht mehr verstanden wird. Das Attribut „heilende“ unterstreicht die Verbindung zu Minervas Rolle und betont die Tragweite des Verlustes. „Und aus Sonderbarkeit hält man das Ding noch so so“ ist eine bittere Feststellung, die darauf hindeutet, dass der Tempel, die Weisheit und die Heilung nur noch aus Kuriosität betrachtet werden, ohne dass ihre wahre Bedeutung erkannt oder geschätzt wird. Der Ausdruck „noch so so“ vermittelt ein Gefühl der Gleichgültigkeit und des Desinteresses, was die Tragik des Verfalls noch verstärkt.
Waiblingers Gedicht ist also ein resignierter Blick auf eine Welt, in der die Werte, die der Tempel repräsentiert – Weisheit, Heilung und Erkenntnis – ihre Bedeutung verloren haben. Die Metapher des verfallenden Tempels dient als starkes Bild für den Verlust geistiger und moralischer Werte. Es ist ein Weckruf, der die Leser auffordert, über die Bedeutung von Weisheit und Heilung nachzudenken und die drohende Gefahr des Verlusts dieser Werte zu erkennen.
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