Wahrlich, o Roma, du bist an bezauberndem Wechsel ein Wunder,
Nur wer dich siehet, erkennt, was du dem Glücklichen bist.
Selbst der schweigende Gott, wenn der staunende Wandrer ihn fraget,
Deutet aufs ewige Buch, das die Geschichte sich nennt,
Denn, was der Schöpfung er ist, das ist Roma der Welt, und ihr Schicksal
Fiel aus der Urne, wie nur Einer Kronion es gab.
Schaue die Tempel nur an, und die mächtigen Säulen, die herrlich
Unterm erhabenen Schutt zweier Jahrtausende stehn!
Tritt nur ins Pantheon ein, da lächelt′s ins heilige Dunkel,
Oben voll heiterem Licht, schön wie der Himmel herab.
Und kein verwegenes Wort, das empfindende Herz nur erreicht es;
Aber das schönste ist Rom, was mir in Rom noch gefiel.
Darum erwählet mein Herz mit deiner Pinienhügel
Blühenden Gärten so gern, süßer Gianicolo, dich!
Und ich entwandle dem Schwarm der rauschenden Straßen am Abend,
Bis dein erquickendes Bild über dem Tiber erscheint.
Dann erglüht mir das stumme Gemüth, und ich fliege dir sehnend,
Wie der Mutter das Kind, heil′ger Onofrio, zu.
Und du labst mich mit friedlichem Grün und einsamen Schatten,
Wo ich so selig dich einst, Kloster und Kirche, begrüßt.
Da ist Ruhe, da lispelt es kaum im zitternden Laube,
Still, wie des Dichters Grab breitet das Plätzchen sich aus.
Da mit unendlicher Lust eil′ ich ans moos′ge Gemäuer,
Feuer und Nebel im Blick – Himmel und Roma vor mir!
Und ich knie auf die steinerne Bank, und hinunter, hinunter
Schau′ ich wie Zeus im Olymp, über die Herrliche hin.
O weß Auge das Meer nie erblickt, weß Auge nicht Rom sah,
Der hat die Welt und in ihr auch nicht den Schöpfer gesehen.
Schweiget, ihr Worte, mir ist als erständen die Geister vom Grabe,
Die ihr erhabenes Werk hier für die Nachwelt gebaut,
Als erbraust′ ihr rauschendes Lied hoch über den Trümmern,
Als erhübe die Zeit selber den Schicksalsgesang!
Und doch lächelt der Himmel so voll unaussprechlicher Liebe,
Ueber dem blühenden Kind, über der süßen Natur,
Wie er′s, das blaue Auge voll tief wollüstigem Lichte
Selig am Schöpfungstag einst auf die Stirne geküßt.
Sieh nur hinunter, wie hold aus dem Laub die Limonien lachen,
Wie aus dem Lorbeergesträuch marmorne Bilder erstehn!
Wie mit unsäglicher Pracht die Villen Zypressen beschatten,
Wie die Pinie so stolz über dem Kloster sich wölbt,
Wie der Tiber am Schattengewölb von Adrians Grabe
Trauernd sich schlängelt und dort Berge von Häusern durchirrt!
Ueber der Rebe St. Peter sich thürmt in den glühenden Himmel,
Ueber Palästen sich dort Reihen von Kuppeln erhöhn,
Wie die gewaltigen Säulen und Obelisken sich heben
Fern bis zu Cestius Grab, über der flammenden Stadt,
Fremd in der fremden Welt Agrippa′s ernste Rotunda,
Nero′s düsterer Thurm, Jupiter, dein Capitol,
Romulus Hügel und grausig die Trümmer der stolzen Cäsare,
Furchtbar, wie Felsen, die Gott strafend mit Blitzen zerschellt;
Ueberall Tempel im Grün und entlang die unendlichen Gründe
Bögen, in rosige Fluth himmlisch vom Abend getaucht.
Götter, was all′? und das duft′ge Gebirg in verschämtem Erröthen,
Zart und herrlich, wie nur Claud′ und der Schöpfer gemalt!
O wie ein glühender Seufzer der liebenden seligen Schöpfung
Dieser unsägliche Hauch über dem schmachtenden Bild.
Blendend die glänzenden Höhen, vom bläulichen Haupt des Sorakte,
Dünn, wie ein schwellend Gewand, dem sich ein Busen vertraut,
Immer reiner und zärter hinab zum elysischen Tibur
Bis wo der Cavo sich hold über Albano verklärt
Auf in die Lüfte! welch strahlendes Meer von fluthendem Golde,
Alles unendliche Licht, Himmel, mit dem du entzückst!
Auf in die Lüfte! da fällt′s mir aufs Haupt wie heiliger Wahnsinn,
Und ich drücke das Aug′ stumm mit den Händen mir zu,
Und ich lege die brennende Stirn ans kalte Gemäuer,
Und der entfesselte Geist ringt im vergehenden All,
Und mir ist, als sänk′ ich hinab in den ewigen Abgrund,
Ueber mir brauste das Meer, und mich verschlänge die Nacht!
St. Onofrio
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „St. Onofrio“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine enthusiastische Hymne auf die Stadt Rom, insbesondere auf die Ruhe und Schönheit des Klosters San Onofrio al Gianicolo. Waiblinger, ein deutscher Dichter der Romantik, drückt hier seine tiefe Bewunderung für die historische und kulturelle Bedeutung Roms aus, indem er eine Reise durch die Stadt und deren Umgebung unternimmt und die ergreifende Atmosphäre des Ortes einfängt.
Das Gedicht beginnt mit einer direkten Anrede an Rom, die als „Wunder“ in Bezug auf seinen bezaubernden Wandel und seine Fähigkeit, Glück zu schenken, bezeichnet wird. Waiblinger betrachtet Rom als eine ewige Geschichte, als ein Abbild der Schöpfung selbst. Der Dichter beschreibt in detaillierten Bildern die antiken Bauwerke wie Tempel und das Pantheon, um die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und dem kulturellen Erbe auszudrücken. Durch die Beschreibung von Licht und Schatten, von erhabener Architektur und dem friedlichen Grün des Klosters, wird ein Gefühl von Ruhe und Erhabenheit erzeugt.
Der zentrale Teil des Gedichts konzentriert sich auf den Kontrast zwischen der Hektik der Stadt und der stillen Kontemplation im Kloster San Onofrio. Die Erwähnung der „Pinienhügel“ und des Gianicolo verstärkt die romantische Sehnsucht nach Natur und Stille. Waiblinger findet Trost und Inspiration in der Ruhe des Klosters, wo er sich von der lauten Welt zurückzieht. Der Übergang von der Betrachtung der Stadtlandschaft zur Innenschau im Kloster und die anschließende Vision erzeugt eine spirituelle Erfahrung.
In den folgenden Strophen entfaltet Waiblinger eine Vision Roms, die von antiken Ruinen bis hin zu den modernen Strukturen reicht, wobei er die Schönheit der Landschaften mit marmornen Bildern und üppiger Vegetation hervorhebt. Er beschreibt die Stadt als einen Ort, an dem Geschichte und Gegenwart verschmelzen, und drückt durch die Einbeziehung von Wahrzeichen wie dem Petersdom, dem Tiber und den antiken Ruinen die unendliche Weite und das historische Erbe der Stadt aus. Die Verwendung von Bildern wie „Himmel, mit dem du entzückst“ und die Metaphern, die in Verbindung mit Licht und Wärme stehen, verstärken die überschwängliche und leidenschaftliche Liebe des Dichters zu Rom.
Das Gedicht gipfelt in einer ekstatischen Vision, in der sich der Dichter der Größe Roms ergibt, sich überfordert und überwältigt fühlt. Die Erwähnung von „heiliger Wahnsinn“ deutet auf eine spirituelle Erhebung hin, eine Vereinigung mit dem Göttlichen, die durch die Schönheit und Geschichte der Stadt ausgelöst wird. Die abschließenden Bilder von Licht und Dunkelheit, von einem Gefühl des Sturzes in den „ewigen Abgrund“, spiegeln die Komplexität und Intensität der Emotionen wider, die in der Gegenwart von Rom erfahren werden können. Das Gedicht endet offen, was die fortwährende Kraft des Erlebnisses und die Tiefe der Verehrung des Dichters für die ewige Stadt andeutet.
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