In den Himmel erhaben, zur Königin herrlich verkläret,
Blieb dir das Herz, wie es war, aber es wuchs dir der Geist.
Denn man betet dich an, du umgiebst dich mit strahlender Hoheit,
Und der Vater hat dir längst dein Geheimniß enthüllt.
Raffael (7)
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Raffael (7)“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger, das sich an den berühmten Renaissance-Maler Raffael Santi richtet, befasst sich mit der Entwicklung des Künstlers als Mensch und Genie. Es beschreibt eine Transformation, die sowohl eine spirituelle Erhebung als auch eine Vertiefung des Wissens umfasst. Die ersten beiden Zeilen etablieren eine Spannung: „In den Himmel erhaben, zur Königin herrlich verkläret, / Blieb dir das Herz, wie es war, aber es wuchs dir der Geist.“ Hier wird einerseits Raffaels Aufstieg in eine höhere, göttliche Sphäre angedeutet, wobei die „Königin“ möglicherweise eine Metapher für die Kunst, die Schönheit oder sogar die Madonna selbst darstellt. Andererseits wird betont, dass sein „Herz“ – also seine Gefühlswelt, seine emotionale Basis – unverändert geblieben ist. Der „Geist“ jedoch, also sein Intellekt und seine Erkenntnis, hat sich weiterentwickelt.
Diese Gegenüberstellung deutet auf eine innere Zerrissenheit oder zumindest auf eine Balance zwischen Gefühl und Verstand hin, die für den Künstler charakteristisch sein mag. Raffael wird als Mensch mit tiefen Emotionen dargestellt, der durch seinen künstlerischen Aufstieg nicht seine ursprünglichen, menschlichen Eigenschaften verloren hat. Gleichzeitig signalisiert das „Wachstum“ des Geistes eine Steigerung seiner Fähigkeit zur Gestaltung und zur kreativen Auseinandersetzung mit der Welt. Dies spiegelt eine Idee der Renaissance wider, dass der Mensch durch Bildung, Erkenntnis und Kunst in der Lage ist, sich zu vervollkommnen und Gott näherzukommen.
Die zweite Hälfte des Gedichts vertieft diese Thematik weiter: „Denn man betet dich an, du umgiebst dich mit strahlender Hoheit, / Und der Vater hat dir längst dein Geheimniß enthüllt.“ Hier wird Raffaels Einfluss und Verehrung durch andere Menschen deutlich gemacht. Er wird nun nicht nur von den Musen geliebt, sondern auch von der allgemeinen Öffentlichkeit verehrt, eine Position der „strahlenden Hoheit“. Diese Zeile betont die übermenschliche Natur des Künstlers, der durch seine Werke eine fast religiöse Verehrung erfährt. Gleichzeitig wird das Geheimnis, das der „Vater“ (wahrscheinlich eine Metapher für Gott oder die höhere Schöpferkraft) ihm enthüllt hat, angedeutet.
Dieses Geheimnis könnte sich auf die kreative Gabe Raffaels, seine künstlerische Vision oder seine Fähigkeit beziehen, die Schönheit der Welt einzufangen und in Kunstwerke umzusetzen. Es deutet auf eine göttliche Inspiration hin, die dem Künstler zuteil wurde. Das Gedicht feiert also nicht nur Raffaels künstlerische Fähigkeiten, sondern auch seine spirituelle Entwicklung und die Rolle des Künstlers als Mittler zwischen der irdischen und der himmlischen Welt. Insgesamt betrachtet Waiblinger Raffael als einen Menschen, der sowohl menschliche Züge bewahrt hat als auch durch die Gabe seines Geistes göttlich geworden ist.
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Lizenz und Verwendung
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