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Olevano – Drittes Lied

Von

Kehrt′ ich müde von Fels und Berg nach Hause,
Schlüge freilich kein liebend Herz dem Wand′rer
Ungeduldig entgegen; von der Treppe
Meines friedlichen Hauses streckte freilich
Mir die Arme kein treues Weib zu, freudig
An die züchtige, keusche Brust mich drückend,
Wo ein blühender Säugling hellen Auges
Uns anblickte, wie wenn er schon der Mutter
Schalkhaft lachte, daß sie den Vater küsset.
Schweige stille, mein Herz, laß ab, mit Bildern
Dich zu martern, die nur dich dran erinnern,
Was du bitter auf immer hast verloren.

Doch nicht gänzlich ohn′ alle Lieb′, ohn′ allen
Menschlich freundlichen Blick verflössen mir die
Stillen Tage. Des Hauses muntre Kinder
Wären gerne bei mir: denn gut und menschlich,
Kindern freundlich, ist in des Lebens Stürmen
Stets mein Herz doch geblieben, wie′s die falschen,
Bösen Zungen der Menschen auch verleumdet.
Alle liebten sie mich; ich schenkte diesem
Spielwerk, jenem erzählt′ ich ein Geschichtchen,
Ja ich scherzte mit ihnen, heute führt′ ich
In Kastanienhaine sie und morgen
Zu den Höhen voll Feigen und Oliven.
Kehrt′ ich Abends zurück, so spränge jubelnd
Rafaello mir zu, der wilde Knabe,
Sich mit Jauchzen um meine Füße klammernd,
Oder riefe Demetria mich zum Schutze
Vor des Brüderchens Ungestüm; das eine
Brächte Feigen auf grünem Weinlaub, jenes
Frischen stärkenden Wein aus der Campagna,
Und Melonen voll süßen Markes, einen
Blumenkorb, den sofort die ältre Schwester,
Scheuer gegen den Mann, und dem Geheimniß
Des Geschlechtes schon nah, ihm still entwindet,
Und mit feinerem Sinn der Blumen schönste
Wählend, weiblich verschämt, mir durch des rohen
Bruders Hand zum Geschenk ein Sträußchen sendet.

Treulich sorgte die hohe schöne Mutter –
Frisch und jugendlich noch, wenn auch der Sohn ihr
Auf den Gipfeln der Serpentara muthig
Jagend streift, noch ein Kind am Busen nährend,
Für den einsamen Gast, damit kein Ding ihm
Zu des Lebens Bequemlichkeit entgehe;
Rüstig käme der Vater auch und scherzte,
Lacht′ und nennte mich einen finstern Träumer,
Einen Sonderling, den die Nacht des Waldes
Mehr erfreu′ als der Menschen lustig Treiben,
Dem die Stirne zu frühe sich gefaltet,
Der mit Grillen sich plagt′, und mahnt′, die Schwermuth
Mit begeisterndem Weine zu verscheuchen.
Dann ergriff′ er der raschen Kinder eines,
Schwäng′ es lachend empor, und setzt es nieder,
Und entlief′, ein Geschäft im Hause, flüchtig,
In der Vigne, im Garten zu besorgen.
Doch am liebsten das greise Haupt des Alten
Säh′ ich an, wenn im Kreis der muntern Enkel
Seine Seele sich freut, wenn er des Knaben
Unart wehrt, und dem Arm der hohen Mutter
Oft den Säugling entnimmt, damit sein Händchen
In den silbernen Locken spiel′; und Abends,
Wenn der Geistliche kommt, der alte, ernste,
Spricht man traulich von Krieg und Menschenelend,
ann die Kinder entschlummert, und erzählet,
Von der Herrlichkeit Roms, und von den Fremden,
Die bis hieher gepilgert, und der Schönheit
Dieser Zaubernatur und von den Räubern,
Die den Wanderer drohn, und ihrer Mordlust,
Vom Ertrage der Ernt′ und der Oliven,
Und vom Herbste der Feigen und des Weines.
Manches mischt auch der alte Pred′ger über′s
Alterthum ins Gespräch, und redet kundig
Von den Spuren der Römer, und den Resten
Längst vergangener Zeit; ich aber schild′re
Tausend Dinge, die ich, die Welt durchpilgernd,
Einst gesehn und bewundert, Völkersitten,
Land und Meer und entfernte Städt′ und Reiche, –
Tief im Herzen das traur′ge Schicksal bergend,
Das mich quälend von Ort zu Ort getrieben!

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Gedicht: Olevano - Drittes Lied von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Olevano – Drittes Lied“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger zeichnet ein melancholisches Bild des Heimwehs und der Sehnsucht nach einer verlorenen Idylle. Der Dichter, der sich fern seiner Heimat befindet, erinnert sich an die einfache, doch erfüllende Welt einer italienischen Familie, die er in dem malerischen Ort Olevano erlebt hat. Der Kontrast zwischen der Sehnsucht nach einer Familie, die er nicht hat, und der Wärme und Zuneigung, die er in der Fremde fand, bildet den Kern des Gedichts.

Waiblinger beginnt mit der schmerzlichen Vorstellung, wie es wäre, in sein eigenes Zuhause zurückzukehren, wo er aber keinen wartenden Partner, keine Kinder und die Geborgenheit einer eigenen Familie finden würde. Diese einleitende Strophe ist geprägt von dem Gefühl der Leere und des Verlustes. Im weiteren Verlauf beschreibt er die Zuneigung und die Fürsorge, die er in der italienischen Familie fand. Die Kinder, die ihn liebten, mit ihm spielten und ihm kleine Geschenke brachten, bieten einen Lichtblick in seiner Trauer. Die Beschreibung der Kinder und ihrer Aktivitäten ist lebendig und detailreich, was die Wärme und Zuneigung, die er empfand, unterstreicht.

In der zweiten Hälfte des Gedichts werden die Erwachsenen der Familie ausführlicher porträtiert. Die Mutter, der Vater, der Großvater und der Pfarrer, sie alle tragen auf ihre Weise zur harmonischen Atmosphäre bei, in der Waiblinger Trost und Ablenkung findet. Die Beschreibungen der täglichen Rituale, der Gespräche über Krieg, Elend und die Schönheit der Natur, sowie die Erinnerungen an die antike römische Geschichte, schaffen ein Gefühl von Gemeinschaft und Geborgenheit. Der Dichter selbst teilt seine Erlebnisse und Eindrücke aus der Welt, während er gleichzeitig sein „trauriges Schicksal“ im Herzen verbirgt.

Das Gedicht ist ein Zeugnis der Sehnsucht nach menschlicher Nähe und Geborgenheit, verbunden mit der Erkenntnis, dass wahre Freundschaft und Zuneigung auch in der Fremde gefunden werden können. Waiblinger verweilt in einer Welt, die ihm nicht gehört, die er aber schätzt. Die italienische Familie wird zum Stellvertreter einer verlorenen Heimat, zu einem Ort, an dem er für eine Weile die Last seines Schicksals vergessen kann. Das Gedicht ist eine bewegende Reflexion über Verlust, Erinnerung und die tröstende Kraft menschlicher Beziehungen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.