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Lebensmotto

Von

Fromme Seelen, fromme Herzen,
Himmelssehnend, lebenssatt;
Euch ist rings ein Thal der Schmerzen,
Eine finst’re Schädelstatt!
Mag in schreckenden Gesichten
Bang vor mir das Schicksal steh’n;
Nie soll mich der Schmerz vernichten,
Nie zerknirscht und reuig seh’n!
Freiem Leben, freiem Lieben,
Bin ich immer treu geblieben!

Leben – Meer, das endlos rauschend
Mich auf weiten Fluten trägt:
Deinen Tiefen freudig lauschend
Steh‘ ich sinnend, stummbewegt.
Stürzt Gewittersturm, der wilde,
Jauchzend sich in’s Meer hinein,
Schau‘ ich in dem Flammenbilde
Meines Lebens Wiederschein.
Freiem Leben, freiem Lieben,
Bin ich immer treu geblieben!

Liebe – von der Welt geächtet,
Von dem blinden Wahn verkannt,
Oft gemartert, oft geknechtet,
Ohne Recht und Vaterland;
Fester Bund von stolzen Seelen
Den des Lebens Glut gebar,
Freier Herzen freies Wählen
Vor der Schöpfung Hochaltar!
Freiem Leben, freiem Lieben,
Bin ich immer treu geblieben!

Und so lang‘ die Pulse beben,
Bis zum letzten Athemzug,
Weih‘ der Liebe ich dies Leben,
Ihrem Segen, ihrem Fluch!
Schöne Welt, du blühend Eden,
Deiner Freuden reicher Schatz
Giebt für alle Schicksals Fehden
Vollen, köstlichen Ersatz!
Freiem Lieben, freiem Leben,
Hab‘ ich ewig mich ergeben!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Lebensmotto von Louise Aston

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lebensmotto“ von Louise Aston ist ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Freiheit, Selbstbestimmung und einer emanzipierten Vorstellung von Liebe. Es richtet sich in klarem Kontrast gegen eine konventionelle, religiös geprägte Weltsicht, die das Leben als Leidensweg und die Liebe als sündhaft oder gesellschaftlich reglementiert begreift. Die Sprecherin grenzt sich bewusst von diesen „frommen Seelen“ ab und setzt dem ein kraftvolles Bild des freien, selbstgewählten Lebens entgegen.

Gleich zu Beginn werden religiös-konservative Ideale kritisiert: Menschen, die sich nach dem Himmel sehnen und lebensmüde durch ein „Thal der Schmerzen“ gehen, erscheinen dem lyrischen Ich fremd. Statt Reue und Unterwerfung bekennt sich die Sprecherin zu einem unbeugsamen Lebenswillen. Der Schmerz mag präsent sein, doch er soll sie nicht „vernichten“. Diese Haltung zieht sich wie ein Refrain durch das Gedicht: „Freiem Leben, freiem Lieben, / Bin ich immer treu geblieben!“ – ein wiederholtes Mantra der Unabhängigkeit.

Im zweiten Versabschnitt wird das Leben als Meer beschrieben – weit, unberechenbar, aber auch sinnlich und erhebend. Die Naturmetaphorik unterstreicht die Offenheit für alle Erfahrungen, auch für stürmische und zerstörerische. Selbst im Gewitter erkennt das lyrische Ich sich selbst, ihre Kraft und Leidenschaft. Es ist ein Leben im Einklang mit den inneren Bewegungen, nicht im Rückzug vor ihnen.

Die dritte Strophe ist eine offene Verteidigung der freien Liebe. Die Liebe wird als ein von der Welt missverstandenes Ideal gezeichnet – oft „geächtet“ und „gezüchtigt“. Doch für das lyrische Ich ist sie ein heiliger Bund freier Seelen, ein Akt des selbstbestimmten Wählens. Diese Form der Liebe steht über gesellschaftlichen und religiösen Normen und wird zu einer Art spirituellem Akt vor dem „Schöpfung Hochaltar“.

In der letzten Strophe wird das Leben ganz der Liebe geweiht – bis zum Tod. Selbst ihr „Fluch“, also mögliche Schmerzen oder gesellschaftliche Verurteilung, wird als Teil des Wertes anerkannt. Das Leben in all seiner Schönheit und Fülle – symbolisiert durch das „blühend Eden“ – rechtfertigt jede Herausforderung. Am Ende verschmilzt die Hingabe an die Liebe mit der an das Leben selbst: Das freie Lieben wird zur höchsten Form des freien Lebens.

„Lebensmotto“ ist somit ein poetisches Manifest weiblicher Selbstbestimmung. Louise Aston entwirft darin ein leidenschaftliches Gegenbild zur bürgerlichen Moral ihrer Zeit: sinnlich, stolz, widerständig – und ganz dem Ideal der inneren Freiheit verpflichtet.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.