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Die Teilung

Von

Es hat einmal, so wird gesagt,
Der Löwe mit dem Wolf gejagt.
Da haben sie vereint erlegt
Ein Wildschwein, stark und gut gepflegt.
Doch als es ans Verteilen ging,
Dünkt das dem Wolf ein mißlich Ding.
Der Löwe sprach, „Was grübelst Du?
Glaubst Du, es geht nicht redlich zu?
Dort kommt der Fuchs, er mag entscheiden,
Was jedem zukommt von uns beiden.“
„Gut′, sagt der Wolf, dem solch ein Freund
Als Richter gar nicht übel scheint.
Der Löwe winkt dem Fuchs sogleich:
„Herr Doktor, da ist was für Euch.
Hier dieses jüngst erlegte Schwein,
Bedenkt es wohl, ist mein und sein.
Ich faßt es vorn, er griff es hinten;
jetzt teilt es uns, doch ohne Finten.“
Der Fuchs war ein Jurist von Fach.
„Sehr einfach“, sprach er, „liegt die Sach.
Das Vorderteil, ob viel ob wenig,
Erhält mit Fug und Recht der König.
Dir aber, Vetter Isegrimm,
Gebührt das Hinterteil. Da nimm!“
Bei diesem Wort trennt er genau
Das Schwänzlein hinten von der Sau.
Indes: der Wolf verschmäht die Beute,
Verneigt sich kurz und geht beiseite.
„Fuchs“, sprach der Löwe, „bleibt bei mir.
Von heute ab seid Ihr Großvezier.“

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Gedicht: Die Teilung von Wilhelm Busch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Teilung“ von Wilhelm Busch ist eine humorvolle und satirische Fabel, die die Themen Macht, List und Ungerechtigkeit in der Tierwelt behandelt. Das Gedicht beginnt mit der Darstellung einer erfolgreichen Jagd von Löwe und Wolf, die gemeinsam ein Wildschwein erlegen. Der Konflikt entsteht, als es darum geht, die Beute aufzuteilen, ein Problem, das der Wolf als „mißlich Ding“ empfindet.

Busch nutzt die Ankunft des Fuchses als Wendepunkt der Geschichte. Der Fuchs wird vom Löwen als Richter auserkoren, was von Beginn an die Ungleichheit der Machtverhältnisse verdeutlicht. Der Fuchs, ein „Jurist von Fach“, nutzt seine schlaue Natur, um die Situation zu seinen Gunsten zu manipulieren. Er teilt das Wildschwein auf eine scheinbar faire Weise auf, indem er dem Löwen den Großteil und dem Wolf nur das Hinterteil zuspricht. Dabei betont er die „Fug und Recht“ des Königs, um seine Entscheidung zu legitimieren, während er dem Wolf, dem Verlierer, nur das Hinterteil überlässt.

Die Ironie des Gedichts liegt in der Art und Weise, wie der Fuchs seine Aufgabe erfüllt. Anstatt eine gerechte Teilung vorzunehmen, handelt er im Interesse des Löwen und profitiert selbst von der Situation. Die scheinbare Gerechtigkeit wird durch die Tatsache untergraben, dass der Wolf leer ausgeht und der Fuchs vom Löwen für seine „Leistungen“ belohnt wird. Das Verhalten des Wolfs, der sich „verneigt“ und beiseite geht, verdeutlicht seine Ohnmacht und Resignation gegenüber der Macht des Löwen. Der Satz „Von heute ab seid Ihr Großvezier“ ist das Resultat der geschickten List, die der Fuchs eingesetzt hat.

Die Botschaft des Gedichts ist subtil, aber klar. Busch kritisiert die Ungerechtigkeit und die Willkür der Macht. Er zeigt, wie List und Täuschung eingesetzt werden können, um andere zu manipulieren und persönliche Vorteile zu erlangen. Die Fabel spiegelt menschliche Verhaltensweisen wider, in denen Machtmissbrauch und die Ausnutzung Schwächerer keine Seltenheit sind. Der humorvolle Ton und die einfachen Reime machen das Gedicht zugänglich, während die zugrunde liegende Kritik an gesellschaftlichen Ungleichheiten zum Nachdenken anregt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.