Die wilde Rose
Da droben auf einsamer Höhe
Die wilde Rose blüht,
Und wer sie von Ferne gesehen,
In heißer Sehnsucht erglüht.
Zu ihr über Felsen und Klüfte
Ein kühner Jäger klimmt.
Schon ist er in nächster Nähe –
Das Auge in Thränen ihm schwimmt.
Er will sie erfassen und pflücken.
Da strauchelt jäh sein Fuß;
Des Abgrunds finstere Tiefe
Empfängt ihn mit kaltem Kuß.
Da droben auf einsamer Höhe
Die wilde Rose blüht,
Und wer sie von Ferne gesehen.
In heißer Sehnsucht erglüht. –
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die wilde Rose“ von Louise Aston erzählt in knapper, balladenhafter Form eine symbolhafte Geschichte über unerreichbare Sehnsucht und die Gefahren leidenschaftlicher Hingabe. Im Zentrum steht die wilde Rose als Sinnbild für etwas Schönes, Erhabenes und zugleich Unerreichbares – sei es Liebe, Ideal oder Freiheit. Die einsame Höhe, auf der sie blüht, markiert dabei nicht nur einen geografischen Ort, sondern auch eine geistige oder emotionale Distanz.
Der Jäger, der sich ihr nähert, verkörpert den Menschen, der sich aus Sehnsucht und innerem Verlangen über alle Hindernisse hinwegsetzt. Felsen und Klüfte stehen metaphorisch für die Herausforderungen und Risiken, die auf dem Weg zum begehrten Ziel lauern. Der Jäger nimmt diese Gefahren mutig auf sich, getrieben von dem intensiven Wunsch, die Rose – das Objekt seiner Sehnsucht – zu erreichen.
Doch in dem Moment, in dem er sie beinahe greifen kann, stürzt er. Der tödliche Fall in die „finstere Tiefe“ wird zum Sinnbild des Scheiterns an einem Ideal, das zu hoch gesteckt oder zu fern war. Der „kalte Kuß“ des Abgrunds steht im Kontrast zur „heißen Sehnsucht“, mit der das Gedicht beginnt – ein tragischer Umschlag von Leidenschaft in Tod, von Streben in Vernichtung.
Die letzte Strophe wiederholt die Anfangsverse, wodurch ein Kreis entsteht, der die Unveränderlichkeit des Geschehens betont. Die Rose blüht weiter, unberührt vom Schicksal des Jägers. Das macht sie nicht nur zur Projektionsfläche menschlicher Sehnsüchte, sondern auch zur unerreichbaren, fast grausamen Konstante. Ihre Schönheit bleibt – aber sie fordert Opfer.
Louise Aston schafft mit „Die wilde Rose“ ein dichtes, symbolisches Gedicht über das Verhältnis von Ideal und Wirklichkeit, von Streben und Scheitern. Es warnt vor der Selbstaufgabe in der Jagd nach etwas, das zwar von großer Schönheit ist, sich aber vielleicht nie besitzen lässt. Gleichzeitig liegt darin auch eine Bewunderung für jene, die den Aufstieg wagen – selbst wenn er ins Verderben führt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.