In meinem Schoße
In meinem Schoße
schlafen die dunkelen Wolken –
darum bin ich so traurig, du Holdester.
Ich muss deinen Namen rufen
mit der Stimme des Paradiesvogels,
wenn sich meine Lippen bunt färben.
Es schlafen schon alle Bäume im Garten –
auch der nimmermüde
vor meinem Fenster –
Es rauscht der Flügel des Geiers
und trägt mich durch die Lüfte
bis über dein Haus.
Meine Arme legen sich um deine Hüften,
mich zu spiegeln
in deines Leibes Verklärtheit.
Lösche mein Herz nicht aus –
du den Weg findest –
immerdar.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In meinem Schoße“ von Else Lasker-Schüler ist eine tief emotionale Darstellung von Sehnsucht, Trauer und der Suche nach spiritueller Verbindung. Die Dichterin beginnt mit dem Bild von „dunkelen Wolken“, die in ihrem Schoß schlafen – ein Symbol für eine innere Last oder Dunkelheit, die sie belastet und sie traurig macht. Die Wolken, die im Schoß schlafen, können als Metapher für unerfüllte Wünsche oder unerreichte Ideale verstanden werden, die die Dichterin in ihrem Innersten trägt. Diese Bildsprache vermittelt das Gefühl von Unausgesprochenem und unvollständig Gelebtem.
Die Zeilen „Ich muss deinen Namen rufen / mit der Stimme des Paradiesvogels“ verweben das Motiv des Rufs und der Sehnsucht nach einer höheren, fast überirdischen Verbindung. Der „Paradiesvogel“ als Symbol für eine farbenfrohe, lebendige und vielleicht auch transzendente Kommunikation steht im Kontrast zu der inneren Traurigkeit der Sprecherin. Ihre „Lippen“ färben sich „bunt“, was den intensiven, leidenschaftlichen Akt des Rufens unterstreicht – ein Rufen, das sowohl anklagend als auch hoffnungsvoll wirkt. Es ist ein verzweifelter Ruf nach einer verlorenen oder abwesenden Liebe.
Das Bild der schlafenden Bäume im Garten verstärkt das Gefühl der Stille und der Untätigkeit. Die Natur um sie herum scheint in einem Zustand der Ruhe oder sogar des Verfalls zu sein. Der „nimmermüde“ Baum, der vor dem Fenster steht, könnte als ein Symbol für unaufhörliche Sehnsucht oder die unermüdliche Hoffnung interpretiert werden, die trotz allem in der Dichterin weiterlebt. Das „Rauschen des Flügels des Geiers“ symbolisiert eine mystische Reise, die sie zu dem Haus des Geliebten trägt – eine Reise, die sie durch die Lüfte und durch ihre eigenen inneren Welten führt.
Im letzten Teil des Gedichts wird der Wunsch nach Vereinigung und Spiegelung in der Person des Geliebten formuliert. Die Arme, die sich um seine Hüften legen, deuten auf eine intime Verbindung hin, die zugleich körperlich und geistig ist. Die „Verklärtheit“ des Leibes steht für eine fast göttliche, ideale Verschmelzung von Körper und Seele. Die Bitte, das Herz nicht auszulöschen, deutet auf die Angst vor Verlust und das Verlangen nach einer ewigen Verbindung hin, die über die physische Welt hinausgeht. Das Gedicht endet mit einem Appell an die Unvergänglichkeit des Weges – ein Wunsch, den Geliebten immerdar zu finden, was das Thema der ewigen Sehnsucht und spirituellen Verbindung verstärkt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.