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Terzinen an ein Mädchen

Von

Seit deine Hände kühl an meinen ruhten,  Fühle ich traumhaft ihre weiße Schwinge  Tief in die Stille meiner Stunden fluten,
Doch eingebannt im Bilde vieler Dinge:  Bald ruhen sie wie schöne weiße Schalen,  Bald knistern sie um eine blaue Klinge,
Verblassen jetzt zu kränklichen Opalen  Und sind nun selbst wie schmachtend matte Frauen – Doch immer ist in ihren schmalen, fahlen
Gelenken, die das Netz des bleichen blauen  Geäders zart und rätselhaft durchgittert,  Ein irres Leuchten und ein stummes Grauen.
Ist dies mein Traumglanz nur, der so gewittert,  Oder ist Funkenspiel dies deiner Seele  Ein fahles Fieber, das in dir aufzittert
Und das du niederringst mit stolzer Kehle? – O leih mir, Seltsame, die kühlen Hände,  Doch nicht, daß ich sie so mit Fragen quäle
Und böser Stunden Spur in ihnen fände.  Ganz leise nur, ganz lieb will ich sie nehmen  Und wunschlos halten, deine blassen Hände,
Als wären sie zwei weiße Chrysanthemen.

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Gedicht: Terzinen an ein Mädchen von Stefan Zweig

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Terzinen an ein Mädchen“ von Stefan Zweig ist eine ergreifende Reflexion über die flüchtige und mysteriöse Natur von Liebe und Sehnsucht, die sich in der Betrachtung der Hände einer Frau manifestiert. Der Dichter verwendet die Metapher der Hände, um die Ambivalenz des Gefühls darzustellen, das sowohl von Schönheit als auch von einem Hauch des Unheimlichen geprägt ist. Die Beschreibungen der Hände wandeln sich, von „weißen Schwingen“ und „schönen weißen Schalen“ zu „kränklichen Opalen“ und „schmachtend matten Frauen“, was die Vergänglichkeit der Schönheit und die Veränderlichkeit der Emotionen andeutet.

Das Gedicht suggeriert eine tiefe Faszination des Dichters für die Frau, wobei die Hände als zentrale Metapher für ihre Seele und ihr Wesen dienen. Das „irres Leuchten“ und das „stumme Grauen“ in den Gelenken weisen auf eine innere Unruhe und eine Komplexität hin, die der Dichter erahnt und versucht zu ergründen. Er fragt sich, ob dieses Funkenspiel seiner eigenen Träume entspringt oder ob es ein Spiegelbild der inneren Unruhe der Frau ist – ein „fahles Fieber, das in dir aufzittert“. Die Fragen spiegeln die Unsicherheit und die Sehnsucht des Dichters wider, der sich nach Nähe und Verständnis sehnt, aber auch die Furcht vor den dunkleren Aspekten des Gefühls empfindet.

Die letzten Zeilen offenbaren den Wunsch nach einer sanften, unaufdringlichen Annäherung. Der Dichter bittet die Frau, ihm ihre „kühlen Hände“ zu leihen, jedoch nicht, um sie mit Fragen zu quälen oder Spuren negativer Erfahrungen zu entdecken. Stattdessen möchte er sie „ganz leise nur, ganz lieb“ nehmen und „wunschlos halten“. Die Metapher der „weißen Chrysanthemen“ am Ende des Gedichts symbolisiert Reinheit, Schönheit und die stille, respektvolle Verehrung, die der Dichter der Frau entgegenbringt. Es ist ein Plädoyer für eine Liebe, die frei von Erwartungen und Ansprüchen ist, eine Liebe, die sich im Moment selbst genügt.

Die Verwendung von Terzinen, also dreizeiligen Strophen mit einem durchgehenden Reimschema, verleiht dem Gedicht eine besondere Eleganz und musikalische Qualität. Die sorgfältige Wortwahl und die bildreiche Sprache verstärken die emotionale Tiefe und die subtile Darstellung der Gefühle. Zweigs Gedicht ist somit nicht nur eine Beschreibung der physischen Erscheinung der Hände, sondern eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den komplexen Emotionen, die Liebe und Sehnsucht begleiten – eine Hommage an die Schönheit und das Geheimnis, das in der Begegnung zwischen zwei Menschen liegen kann.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.