Wie seltsam hat sich dies gewendet, Daß aller Wege wirrer Sinn Vor dieser schmalen Tür geendet Und ich dabei so selig bin!
Der stummen Sterne reine Nähe Weht mich mit ihrem Zauber an Und hat der Erde Lust und Wehe Von meinen Stunden abgetan.
Der süße Atem meiner Geige Füllt nun mit Gnade mein Gemach, Und so ich mich dem Abend neige, Wird Gottes Stimme in mir wach.
Wie seltsam hat sich dies gewendet, Daß aller Wege wirrer Sinn Vor dieser schmalen Tür geendet Und ich dabei so selig bin,
Und von der Welt nur dies begehre, Die weißen Wolken anzusehn, Die lächelnd, über Schmerz und Schwere, Von Gott hin zu den Menschen gehn.
Lied des Einsiedels
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Lied des Einsiedels“ von Stefan Zweig beschreibt in schlichten Worten und durch einfache Reime die innere Transformation eines Menschen, der sich vom Trubel der Welt zurückgezogen hat und nun in der Einsamkeit Erfüllung findet. Der Text ist von einer tiefen Ruhe und inneren Zufriedenheit durchzogen, die aus der Abkehr von weltlichen Verlockungen und der Hinwendung zu einer spirituellen Kontemplation resultiert.
In den ersten Strophen wird der Wendepunkt im Leben des lyrischen Ichs betont: „Wie seltsam hat sich dies gewendet, / Daß aller Wege wirrer Sinn / Vor dieser schmalen Tür geendet / Und ich dabei so selig bin!“ Die „schmale Tür“ steht symbolisch für den Eintritt in ein neues Leben, in dem die chaotischen und widersprüchlichen Erfahrungen der Welt hinter sich gelassen werden. Die „stummen Sterne“ und der „süße Atem“ der Geige deuten auf eine Naturverbundenheit und eine Hinwendung zur Kunst, die als Quelle der Freude und des Trostes dienen. Das Gedicht zeichnet somit das Bild eines Menschen, der durch die Abkehr von der Welt und die Hinwendung zu spirituellen und ästhetischen Werten inneren Frieden gefunden hat.
Die Musik scheint im Gedicht eine besondere Rolle zu spielen, da sie die „Gnade“ in das Gemach des Einsiedlers bringt. Die Geige und das Spiel scheinen imstande zu sein, die Stimme Gottes hörbar zu machen. Zweig verbindet hier auf subtile Weise die Kunst mit der Religion. Er legt eine meditative Qualität in seinen Text, die den Lesenden in einen Zustand der Kontemplation versetzt. Der Mensch im Gedicht scheint durch die Abkehr vom weltlichen Treiben die Nähe zu einer höheren Macht oder einem tieferen Verständnis der eigenen Existenz gefunden zu haben.
Die letzten Verse offenbaren die tiefe Demut und die losgelöste Haltung des lyrischen Ichs. Es begehrt nichts weiter, als „die weißen Wolken anzusehn, / Die lächelnd, über Schmerz und Schwere, / Von Gott hin zu den Menschen gehn.“ Diese Zeilen spiegeln eine Akzeptanz des Lebens und seiner Unwägbarkeiten wider, verbunden mit dem Wunsch, die Schönheit der Natur und die göttliche Ordnung zu betrachten. Die Wolken, die von Gott zu den Menschen gehen, symbolisieren die Gnade und die Hoffnung, die aus dem Glauben und der Verbundenheit mit der Schöpfung erwachsen.
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