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Der dunkle Falter

Von

Noch glüht, umwölkt von kühlen Abendrosen,  Vor mir die Heimat. Doch mein Herz erbebt  Vom Sehnsuchtslied der ewig Heimatlosen  Und fühlt den Schmerz, den es doch nie erlebt.
Wie eine milde, traurig–süße Mahnung  Umfängt mich dieses fremde Bruderleid.  Früh flügelt schon der dunkle Falter Ahnung  Über die Gärten meiner Jugendzeit.
So deutungsvoll ward mir das Stundenschlagen,  So müd mein Herz. Und selbst den tiefen Glanz  Der Frauenblicke weiß ich nur zu tragen,  Wie bange Hände einen welken Kranz …

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Gedicht: Der dunkle Falter von Stefan Zweig

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der dunkle Falter“ von Stefan Zweig thematisiert die universelle Erfahrung von Sehnsucht und die Ahnung von Verlust und Vergänglichkeit. Das lyrische Ich befindet sich in einer Phase der Abschiednahme, wobei die Heimat als Ausgangspunkt dient, von dem sich der Dichter emotional entfernt. Die Abendrosen, die die Heimat umgeben, erzeugen ein Gefühl von Wärme und Vertrautheit, doch das Herz des Sprechers ist bereits von der Sehnsucht nach etwas Unbekanntem erfüllt, von einem Gefühl, das als „ewig heimatlos“ bezeichnet wird.

Im zweiten Abschnitt wird dieses Gefühl der Sehnsucht durch das „fremde Bruderleid“ verstärkt, eine Metapher für die Empathie, die der Dichter für das Leid anderer empfindet. Der „dunkle Falter Ahnung“, ein Symbol für die Vorahnung von Schmerz und Verlust, schwebt bereits über den Gärten der Jugendzeit. Diese Bilder evozieren eine melancholische Stimmung, die durch die Verwendung von Adjektiven wie „milde“, „traurig-süß“ und „dunkel“ verstärkt wird. Der Falter, als Inbegriff des Flüchtigen, steht dabei für die Erkenntnis der Endlichkeit und die damit verbundene Melancholie.

Im dritten Abschnitt kulminiert diese Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit. Das „Stundenschlagen“ wird als „deutungsvoll“ empfunden, was auf eine erhöhte Sensibilität für die Zeit und ihre Auswirkungen hindeutet. Das Herz ist müde, was die emotionale Erschöpfung des Sprechers widerspiegelt. Die Metapher des „welken Kranzes“, den die bange Hand trägt, beschreibt die Unfähigkeit, die Schönheit des Lebens vollends zu genießen oder festzuhalten. Auch die Liebe, symbolisiert durch den „tiefen Glanz“ der Frauenblicke, kann nicht mehr mit der früheren Intensität erlebt werden.

Insgesamt ist das Gedicht eine Reflexion über die menschliche Erfahrung von Sehnsucht, Verlust und die Erkenntnis der Endlichkeit. Zweig nutzt eine bildreiche Sprache und Metaphern, um die tiefe Melancholie und die Vorahnung des Verlustes zu vermitteln. Der „dunkle Falter“ steht als zentrales Symbol für diese Erfahrung, der durch die gesamte Jugendzeit des lyrischen Ichs schwebt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.