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Herbst

Von

Auf einmal musste ich singen…
und ich wusste nicht warum.
Doch abends weinte ich bitterlich.

Es stieg aus allen Dingen
ein Schmerz und der ging um –
und legte sich auf mich.

Stürmische Wolkendepeschen,
erschreckend den Weltenraum;
und die Beeren der Ebereschen
die winzigen Monde am Baum.

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Gedicht: Herbst von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Herbst“ von Else Lasker-Schüler vermittelt die melancholische Stimmung und die widersprüchlichen Gefühle, die mit dem Herbst verbunden sind. In der ersten Strophe wird das plötzlich aufkommende Bedürfnis zu singen beschrieben, ohne dass der Grund dafür erkennbar ist. Diese Form des Singens, das keine rationale Erklärung findet, verweist auf einen inneren Impuls, der aus einer tiefen, unerklärlichen Emotion kommt. Doch diese spontane Freude wird im Gegensatz zu der „bitterlichen“ Trauer am Abend gestellt, was auf eine emotionale Ambivalenz hinweist – Freude und Schmerz sind hier untrennbar miteinander verbunden.

Die zweite Strophe beschreibt einen allumfassenden Schmerz, der aus allen Dingen zu steigen scheint und „sich auf mich legte“. Dieser Schmerz könnte eine symbolische Darstellung für die melancholische Stimmung des Herbstes sein – eine Jahreszeit, die sowohl von Schönheit als auch von Abschied und Vergänglichkeit geprägt ist. Der Schmerz wird als allgegenwärtig dargestellt, als eine Kraft, die das Subjekt in ihren Bann zieht und es auf eine schwer fassbare Weise beeinflusst. Die Vorstellung, dass dieser Schmerz aus „allen Dingen“ kommt, verleiht der Natur eine fast übermenschliche Präsenz.

In der dritten Strophe tauchen „stürmische Wolkendepeschen“ auf, die „erschreckend den Weltenraum“ durchdringen. Diese stürmischen Wolken sind ein starkes Bild für die Unruhe und das Unbekannte, das den Herbst begleitet. Sie symbolisieren die Dunkelheit und die chaotische, unruhige Stimmung der Jahreszeit. Im Gegensatz zu den unheilvollen Wolken stehen die „Beeren der Ebereschen“, die als „winzige Monde am Baum“ beschrieben werden. Diese Beeren, die in ihrer kleinen Form den Mond nachahmen, sind ein Symbol für den Zyklus von Leben und Tod, die Zyklen der Natur und des Lebens, die im Herbst besonders spürbar sind.

Das Gedicht thematisiert somit die tiefe Melancholie des Herbstes, die sowohl mit einer inneren Zerrissenheit als auch mit einer äußeren Wahrnehmung der Natur verbunden ist. Der Herbst, als Übergang von der Fülle des Sommers zur Leere des Winters, ist eine Zeit des Abschieds und der Reflexion. Lasker-Schüler fängt diese Emotionen in einer Sprache ein, die gleichzeitig poetisch und traurig ist, und lässt den Leser die Unruhe und den Schmerz dieser Jahreszeit miterleben.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.