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Heimweh

Von

Ich kann die Sprache
dieses kühlen Landes nicht,
und seinen Schritt nicht gehn.

Auch die Wolken, die vorbeiziehn,
weiß ich nicht zu deuten.

Die Nacht ist eine Stiefkönigin.
Immer muss ich an die Pharaonenwälder denken
und küsse die Bilder meiner Sterne.

Meine Lippen leuchten schon
und sprechen Fernes,

und bin ein buntes Bilderbuch
auf deinem Schoß.

Aber dein Antlitz spinnt
einen Schleier aus Weinen.

Meinen schillernden Vögeln
sind die Korallen ausgestochen,

an den Hecken der Gärten
versteinern sich ihre weichen Nester.

Wer salbt meine toten Paläste –
sie trugen die Kronen meiner Väter,
ihre Gebete versanken im heiligen Fluss.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Heimweh von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Heimweh“ von Else Lasker-Schüler beschreibt eine tiefe Sehnsucht nach der Heimat und einen schmerzlichen Verlust. Die Sprecherin fühlt sich in der fremden Umgebung entfremdet, was bereits im ersten Vers zum Ausdruck kommt: „Ich kann die Sprache dieses kühlen Landes nicht.“ Diese Unfähigkeit, die Sprache zu verstehen, symbolisiert die Distanz zur neuen Welt, die sie umgibt. Der „kühle“ Charakter des Landes steht im Gegensatz zu den emotionalen, lebendigen Erinnerungen an ihre Heimat.

Die Unfähigkeit, „den Schritt zu gehn“ und die Wolken zu deuten, verstärkt das Gefühl der Entfremdung und der Orientierungslosigkeit. Es ist, als ob sie in der neuen Welt keinen Platz finden kann. Die Nacht, die als „Stiefkönigin“ bezeichnet wird, trägt eine düstere Symbolik und verstärkt das Gefühl der Fremdheit und Verlassenheit. Die Pharaonenwälder und die „Bilder meiner Sterne“ beziehen sich auf eine ferne, traumhafte Heimat, die von der Sprecherin jedoch nur in Erinnerungen und Bildern lebendig gehalten wird.

In der Mitte des Gedichts drückt die Sprecherin ihre innere Zerrissenheit aus. Sie beschreibt sich als „buntes Bilderbuch“ auf dem Schoß einer anderen Person, was eine gewisse Objektifizierung und Entfremdung suggeriert. Die Sehnsucht nach der Heimat wird durch die Metapher des „Antlitzes“ verstärkt, das einen „Schleier aus Weinen“ spinnt, was das Bild von Trauer und Verlust vertieft.

Das Bild der „schillernden Vögel“, denen „die Korallen ausgestochen“ sind, beschreibt einen Verlust von Schönheit und Leben. Die Hecken, in denen die Vögel ihre Nester bauen, sind nun „versteinert“, was den Verlust von Heimat und Geborgenheit symbolisiert. Das Gedicht endet mit der Frage, wer die „toten Paläste“ der Sprecherin salbt, die einst „die Kronen meiner Väter trugen“. Dies verweist auf die kulturelle und historische Bedeutung der Heimat, deren „Gebete“ im „heiligen Fluss“ versanken – ein Bild für das Verschwinden von Traditionen und Erinnerungen in der Vergänglichkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.