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Psyche an Amor

Von

Wo schwand er hin, der seligste der Träume,
das höchste Ziel der innigsten Begier?
Die Sehnsucht schwingt sich in des Äthers Räume;
doch, ach! verbannt, gefesselt schmacht‘ ich hier!

Es wär‘ auf ewig mir dahin geschwunden
das Land der Himmlischen, der Ätherhain
der Harmonie? Hienieden festgebunden,
blieb‘ eine Ewigkeit dies Herz allein?

Einst, als ich unter Blumen hier erwachte,
umleuchtet von der Hoffnung mildem Stern,
bewegt der neuen Welt entgegen lachte,
schien Amor, der Geliebte, mir nicht fern.

Du athmetest in milden Frühlingslüften;
dein Auge sprach im Sternenglanz zu mir,
und jeder süße Ton in Thal und Lüften
war mir ein holder Liebeslaut von dir.

Bald schwand der schöne Wahn, wie Nebelsterne
in dunkeln Nächten, und mein Herz blieb leer,
und brennend flog die Sehnsucht in die Ferne,
und ahndete dich über Berg und Meer.

Da trat ein holdes Wesen mir entgegen,
voll Himmels-Ahndung; eine neue Lust
durchflog mein Herz mit ungewohnten Schlägen,
und süßes Weh durchschauerte die Brust.

Ich fühlte unsrer Liebe Seligkeiten,
wie Himmelslüfte, freundlich um mich wehn;
verloren in der Ahndung Trunkenheiten,
vermeint‘ ich dich, mein Ideal, zu sehn.

Der Welt entrückt, im seligsten Entzücken,
vermißt‘ ich deinen Himmel selbst nicht mehr;
Verklärung strahlte aus des Lieblings Blicken,
und Ätherrosen blühten um mich her.

Doch, ach! der Unbestand der Menschenherzen
erträgt es nicht, das allzuhohe Glück!
Zur Asche brannten die geweihten Kerzen:
die Liebe wich; die Sehnsucht blieb zurück.

Und wiederum für neue Qual geboren,
die Freude hassend, mit mir selbst entzweit,
durchflog die Welt mein Wunsch – was ich verloren,
ersetzte keine Erdenseligkeit.

Du warst es, du, dem beym Genuß des Schönen,
im innigsten Zusammenklang,
bey jeder Kunst, gelehrt von Göttersöhnen,
sich meine Seele froh entgegen schwang.

Dem in des Mitgefühles leisen Wogen,
in Freundesblick voll zarter Sympathie,
die reinen Triebe frey entgegenflogen;
doch ganz befriedigt ward die Sehnsucht nie.

Und nimmer schweigt das liebende Verlangen,
dich wiederum in der Vollkommenheit
unwandelbarem Schimmer zu umfangen,
wie einst in jenem Traum voll Seligkeit.

Du, Himmlischer! den keine Worte nennen,
der Ahndung zarten Sinnen nur bekannt!
soll ewig ungestillt die Sehnsucht brennen?
bleibt stets von dir die Liebende verbannt?

Wer naht mir hier? von mildem Sternenglanze
– ein überirdisch Wesen – sanft erfüllt,
die Fackel still gesenkt, und im Zypressenkranze
die göttlich reine Stirn halb eingehüllt.

Es winkt mir hin nach jenen dunkeln Gründen,
ein wunderbarer Schauer faßt mich – ach!
ich folge – soll ich dort die Ruhe finden? –
vertrauungsvoll dem stillen Engel nach!

Doch leise regt er jetzt die düstern Schwingen,
und rings aus ihnen sproßt ein milder Glanz
wie Morgenroth, und Ätherrosen dringen
aus dem erheiterten Zypressenkranz.

Er ist es, Er, der Göttliche! auf immer
nun wieder mein! und neue Wonne füllt
das Herz! – So wird beym letzten Lebensschimmer
die Sehnsucht, die unendliche, gestillt?

Wir schweben auf in reinere Gefilde;
der Erd‘ entrückt, von keinem Wunsch getrübt,
umfängt mich jenes Äthers Frühlingsmilde,
und ich bin ewig liebend und geliebt!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Psyche an Amor von Sophie Friederike Brentano

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Psyche an Amor“ von Sophie Friederike Brentano ist eine romantische Ballade, die von der Sehnsucht und dem Wiederfinden der Liebe erzählt. Es zeichnet ein Bild von Hoffnung, Verlust, Schmerz und letztendlicher Erfüllung. Die Ich-Erzählerin, Psyche, sehnt sich nach ihrem Geliebten Amor, der in der griechischen Mythologie der Gott der Liebe ist.

Das Gedicht beginnt mit einer Klage über das Verschwinden des Glücks und die Sehnsucht nach dem Geliebten. Psyche fragt sich, wo ihr Traum, ihr höchstes Ziel, hingeschwunden ist. Sie beschreibt die anfängliche Hoffnung und Freude, die sie in der Liebe fand, die aber wie „Nebelsterne“ verging. Die Erinnerung an die gemeinsamen glücklichen Momente, die sie in der Gegenwart vermisst, wird in den Strophen beschworen, aber auch die Enttäuschung und der Schmerz des Verlusts sind spürbar. Die „Asche der geweihten Kerzen“ symbolisiert das Ende der Liebe und das Zurückbleiben der Sehnsucht.

Die Mitte des Gedichts ist geprägt von der tiefen Sehnsucht nach der Rückkehr Amors. Psyche beschreibt ihre Suche und ihr Verlangen, das sie antreibt, ihre Hoffnung, dass sie ihn wiederfinden kann. Sie spricht von der Sehnsucht, die „nimmer schweigt“ und die Unfähigkeit, mit der vergänglichen irdischen Welt zufrieden zu sein. Der Engel, der am Ende erscheint, kann als Boten oder Manifestation ihrer Sehnsucht interpretiert werden, der sie in eine neue, reinere Sphäre führt. Die Wiedervereinigung mit Amor, die sich durch die Metaphern des Lichts und der Rosen ankündigt, verspricht ewige Glückseligkeit.

Die letzten Strophen des Gedichts führen zu einem Höhepunkt der Erfüllung. Die Sehnsucht findet ihr Ende, die Liebenden sind für immer vereint. Das Gedicht schließt mit der Beschreibung eines Zustands vollkommener Liebe und Glückseligkeit, in dem die Seele der Ich-Erzählerin von jeglicher irdischen Sorge befreit ist. Es ist eine Vision von ewiger Liebe, in der Sehnsucht und Schmerz in einer transzendenten Vereinigung überwunden werden.

Insgesamt ist „Psyche an Amor“ ein romantisches Gedicht, das die Höhen und Tiefen der Liebe, die Qualen der Sehnsucht und die Hoffnung auf ewige Erfüllung thematisiert. Die Autorin verwendet eine Vielzahl von Bildern und Metaphern, um die Emotionen der Ich-Erzählerin auszudrücken und die Leser in die Welt der griechischen Mythologie und romantischen Ideale zu entführen. Das Gedicht feiert die Kraft der Liebe, die selbst den Tod überwindet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.