Pilgerlied
Ziehet hin! spricht zu den Seelen,
Der dem Adam Odem gab.
Geht, ihr Kinder, in die Hölen,
Die ich euch gebauet hab′.
Wandert hin! Kommt wieder her!
Sucht durch Elend Sternenehr′!
Unser Gasthaus ist die Erde,
Sie ist unsre Heimath nicht.
Unser Wallen voll Beschwerde
Nach dem Himmel ist gericht′.
Für uns ist kein Bleiben hier,
Jene Wohnstatt suchen wir.
Uns schützt wider Sonn′ und Regen
Gottes Hand, der Pilgerhut,
Und der Stab auf unsern Wegen
Ist sein Wort, so Hülfe thut.
Der macht unsern Tritt gewiß
In dem Thal der Finsterniß.
Sorgen, Sünden, die uns drücken,
Unsre Wanderbündel sind,
Bis das Reiseziel den Rücken
Von der schweren Last entbind′.
Wann sich endet unser Lauf,
Schlafen wir dann sanft darauf.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Pilgerlied“ von Sigmund von Birken ist eine tiefgründige Meditation über das irdische Dasein des Menschen und seine Sehnsucht nach dem Jenseits. Es offenbart eine melancholische Sichtweise auf das Leben als eine Pilgerreise, in der die Erde nur eine vorübergehende Station darstellt und das eigentliche Ziel im Himmel liegt. Die Verse sind durchdrungen von christlichen Elementen und einer tiefen spirituellen Sehnsucht nach Erlösung.
Der erste Abschnitt etabliert das zentrale Motiv des Wanderns und die Unvermeidlichkeit des Todes. Die „Hölen“, die Gott, der Schöpfer, den Seelen „gebaut“ hat, sind Metaphern für das Grab, wohin jeder Mensch gehen muss. Die Zeilen betonen die Vergänglichkeit des irdischen Lebens („Unser Gasthaus ist die Erde“) und die Ausrichtung des Menschen auf eine höhere, himmlische Heimat. Der Ruf „Ziehet hin!“ und die Anweisung „Wandert hin! Kommt wieder her!“ verdeutlichen die zyklische Natur des Lebens und Sterbens sowie die Hoffnung auf eine Wiedergeburt oder ein ewiges Leben nach dem Tod. Die „Sternenehr'“ symbolisiert hier die ewige Herrlichkeit im Himmel, nach der der Mensch streben soll.
In der zweiten Strophe wird das irdische Leben als eine Wanderung voller Beschwernis dargestellt. Das „Wallen voll Beschwerde“ verweist auf die Mühen und Leiden, die mit dem menschlichen Dasein verbunden sind. Der Glaube an Gott wird als Schutz und Führer auf dieser Reise dargestellt. Gottes „Hand“ schützt vor äußeren Einflüssen wie „Sonn‘ und Regen“ und sein „Wort“ dient als „Stab“ und Wegweiser. Dies verleiht dem Gedicht eine tröstliche Note, indem es die Hoffnung auf göttliche Unterstützung und Führung in den Herausforderungen des Lebens hervorhebt.
Die abschließende Strophe fokussiert auf die Lasten und die Erlösung von diesen am Ende der Reise. „Sorgen, Sünden, die uns drücken“ werden als die „Wanderbündel“ des Pilgers bezeichnet, die den Weg erschweren. Der Tod wird hier als ein erlösendes Ereignis dargestellt, das von der „schweren Last entbind’t“. Das „Reiseziel“ ist das Ende des irdischen Weges, und das „sanfte Schlafen“ auf dem „Lauf“ symbolisiert den Frieden und die Ruhe, die nach dem Tod auf die Gläubigen warten. Der letzte Vers vermittelt somit die Hoffnung auf eine Versöhnung und ein ewiges Leben im Angesicht der Vergänglichkeit.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.