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Auf eine Hochzeit

Von

Mein Herr! ihr habt euch nun mit Leib und Seel verpflicht.
Mich wundert, daß euch noch der süsse Kützel sticht,
Da ihr doch selber wißt, wie weh euch einst geschehen,
Als ihr Dianens Bild zu kühnlich angesehen.
Ihr schweigt! Ich merke schon, daß euch das Glücke wiegt,
Und nunmehr eure Brust mit Götter-Kost vergnügt;
Ich gönn euch diesen Tausch; ja, darf ich prophezeyhen,
So wird euch Cypripor zum Liebes-Priester weyhen.

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Gedicht: Auf eine Hochzeit von Sidonia Hedwig Zäunemann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf eine Hochzeit“ von Sidonia Hedwig Zäunemann ist eine Gratulations- und gleichzeitig eine warnende Anspielung auf die Ehe und die mögliche Vergänglichkeit der Liebe. Die Autorin wendet sich an einen „Herrn“, der sich soeben „mit Leib und Seel verpflicht“ hat, also verheiratet wurde. Ihre Worte sind jedoch nicht nur reine Glückwünsche, sondern enthalten auch eine subtile Kritik und Warnung.

Zäunemann beginnt mit einer scheinbar verwunderten Feststellung: „Mich wundert, daß euch noch der süsse Kützel sticht“. Dies deutet darauf hin, dass der Adressat bereits Erfahrungen mit der Liebe und ihren „Stichen“ gemacht hat. Die Autorin spielt hier auf frühere Erfahrungen an, vielleicht auf eine vergebliche oder schmerzhafte Liebe. Die Anspielung auf „Dianens Bild“ und die „kühnliche“ Betrachtung des Adressaten ist möglicherweise eine Referenz auf eine vergangene Affäre oder eine unerwiderte Liebe, die dem Herrn einst Leid zufügte.

Die Autorin stellt die Frage „Ihr schweigt!“. Die Tatsache, dass der Angesprochene schweigt, deutet auf eine bewusste oder unbewusste Auseinandersetzung mit den Worten Zäunemanns hin. Sie erkennt, dass die „Glücke wiegt“ und dass die Brust des Herrn nun mit „Götter-Kost vergnügt“ ist. Dies suggeriert, dass der Ehestand als Glück und Erfüllung wahrgenommen wird. Trotzdem schwingt im Ton der Autorin eine gewisse Skepsis mit, da sie dem Herrn den „Tausch“ gönnt, aber gleichzeitig die Warnung in den Vordergrund rückt.

Im abschließenden Vers „So wird euch Cypripor zum Liebes-Priester weyhen“ drückt Zäunemann ihre Hoffnung und ihren Wunsch aus. Hier ist „Cypripor“ ein Wortspiel, welches höchstwahrscheinlich Venus (Cypris) darstellt, die Göttin der Liebe. Sie wünscht, dass der Herr durch die Ehe in den Stand des „Liebes-Priesters“ erhoben wird. Dies kann als Segnung für die Ehe verstanden werden. Insgesamt ist das Gedicht ein komplexes Zusammenspiel aus Gratulation, Warnung und Hoffnung, das die Ambivalenz der Liebe und die mögliche Vergänglichkeit des Glücks thematisiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.