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Athánatoi
Du, ich liebe dich grenzenlos!
Über alles Lieben, über alles Hassen!
Möchte dich wie einen Edelstein
in die Strahlen meiner Seele fassen.
Leg‘ deine Träume in meinen Schoß,
ich ließ ihn mit goldenen Mauern umschließen
und ihn mit süßem griechischem Wein
und mit dem Oele der Rosen begießen.
O, ich flog nach Dir wie ein Vogel aus,
in Wüstenstürmen, in Meereswinden,
in meiner Tage Sonnenrot,
in meiner Nächte Stern dich zu finden.
Du! breite die Kraft deines Willens aus,
dass wir über alle Herbste schweben,
und Immergrün schlingen wir um den Tod
und geben ihm Leben.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Athánatoi“ von Else Lasker-Schüler ist eine leidenschaftliche, mystisch aufgeladene Liebeserklärung, in der die Grenzen zwischen Liebe, Spiritualität und Ewigkeit verschwimmen. Der Titel, das griechische Wort für „Unsterbliche“, verweist bereits auf die transzendente Dimension dieser Liebe, die über das Irdische hinausreicht und sich selbst gegen Tod und Verfall behaupten will.
Die erste Strophe entfaltet ein Bild absoluter Hingabe: Das lyrische Ich liebt den Anderen „grenzenlos“, jenseits aller Gegensätze wie Liebe und Hass. In der Metapher des Edelsteins, der in die „Strahlen meiner Seele“ gefasst werden soll, wird die geliebte Person nicht nur als kostbar, sondern als ein Bestandteil des innersten Wesens des Ichs dargestellt. Der Schoß, traditionell Symbol für Geborgenheit und Fruchtbarkeit, wird hier zum geschützten Raum für die Träume des Anderen – ummauert, übergossen mit Rosenöl und Wein, reich an orientalischer Sinnlichkeit und antiker Symbolik.
In der zweiten Strophe setzt sich die Bewegung des Ichs fort: Es „flog“ wie ein Vogel, getrieben von Stürmen, über Wüsten und Meere hinweg – ein Bild für eine seelische wie körperliche Suche, die sich durch extreme Zustände bewegt. Die geliebte Person wird dabei als Fixpunkt inmitten dieser chaotischen Elemente beschrieben, als Sonne des Tages, als Stern der Nacht. Diese Bilder verdeutlichen nicht nur eine fast kosmische Bedeutung des Du, sondern auch die existentielle Notwendigkeit dieser Liebe.
Die letzte Zeile steigert die spirituelle Dimension noch einmal deutlich: Das Ich bittet darum, gemeinsam mit dem Du „über alle Herbste“ – also über Verfall, Alter und Tod – hinwegzuschweben. Das „Immergrün“, ein Symbol für Unvergänglichkeit, soll um den Tod geschlungen werden, um ihm Leben zu geben. Damit wird die Liebe zur schöpferischen, lebensspendenden Kraft, die das Endliche überwindet.
„Athánatoi“ ist ein Gedicht voller Hingabe und Hoffnung, das Liebe nicht nur als Gefühl, sondern als unsterbliche, schöpferische Kraft feiert. Else Lasker-Schüler gelingt es, durch lyrische Bilder aus Mythos, Natur und Sinnlichkeit ein emotionales Universum zu erschaffen, in dem das Ich durch die Liebe zum Ewigen findet.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.