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Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz…

Von

Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz,
an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen;
du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen,
du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen,
du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen,
du dunkles Netz,
darin sich flüchtend die Gefühle fangen.

Du hast dich so unendlich groß begonnen
an jenem Tage, da du uns begannst, –
und wir sind so gereift in deinen Sonnen,
so breit geworden und so tief gepflanzt,
daß du in Menschen, Engeln und Madonnen
dich ruhend jetzt vollenden kannst.

Laß deine Hand am Hang der Himmel ruhn
und dulde stumm, was wir dir dunkel tun.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz... von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz…“ von Rainer Maria Rilke ist eine Ode an die Liebe, die hier als ein allumfassendes, fast schon metaphysisches Prinzip verstanden wird. Rilke personifiziert die Liebe und spricht sie direkt an, wobei er sie mit Begriffen wie „sanftestes Gesetz“, „großes Heimweh“ und „dunkles Netz“ belegt. Diese ungewöhnliche Gegenüberstellung verdeutlicht die Vielschichtigkeit der Liebe, die einerseits sanft und geborgen, andererseits aber auch unbändig und voller Sehnsucht sein kann. Der Dichter betrachtet die Liebe nicht nur als Gefühl, sondern als eine allgegenwärtige Kraft, die das menschliche Leben prägt und bestimmt.

Der erste Teil des Gedichts beschreibt die transformative Kraft der Liebe. Durch sie sind „wir reiften“, „wir mit ihm rangen“ und „wir nie hinausgegangen“. Dies deutet darauf hin, dass die Auseinandersetzung mit der Liebe, die Anstrengung und die innere Auseinandersetzung, uns wachsen lässt. Sie ist ein Prozess, der uns prägt und in dem wir uns entwickeln. Die Metaphern des Waldes und des Netzes suggerieren eine tiefe Verbundenheit und Verstrickung, aus der wir uns nicht lösen können und vielleicht auch nicht wollen. Die Liebe wird als etwas Unvermeidliches und Notwendiges dargestellt, als ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens.

Im zweiten Teil wird die unendliche Ausdehnung und Vollendung der Liebe thematisiert. Die Liebe „hat sich so unendlich groß begonnen“, und durch sie sind die Menschen „so gereift“, „so breit geworden und so tief gepflanzt“. Diese Entwicklung führt dazu, dass die Liebe nun in „Menschen, Engeln und Madonnen“ ruhen und sich vollenden kann. Hier wird deutlich, dass Rilke die Liebe als etwas Absolutes versteht, das über die individuelle Erfahrung hinausgeht und sich in verschiedenen Formen manifestiert und vollendet. Die Liebe wird zum alles umfassenden Prinzip, das die gesamte Schöpfung durchdringt.

Der abschließende dritte Teil ist ein Appell an die Liebe. Der Dichter bittet die Liebe, „am Hang der Himmel“ zu ruhen und die „dunklen Taten“ der Menschen stumm zu dulden. Dies könnte als Hinweis auf die Fehlbarkeit und das Leid der menschlichen Existenz verstanden werden. Trotz aller Fehler und des Schmerzes, der durch die Liebe verursacht werden kann, bittet Rilke die Liebe, zu bleiben und ihre Wirkung nicht zu verändern. Die Liebe ist hier nicht nur ein Gefühl, sondern auch ein Akzeptanz aller Aspekte des Lebens.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.