Beschränkung
Wie jene Frauen von einfältgem Sinn,
Die so voll Demut ihren Gatten eigen
Wie Mägde sind, und die sich von Beginn
Bis an ihr Ende seinem Willen neigen,
Die, wie in Dumpfheit, ihre Liebe, drin
Ihr Dasein eingeschlossen liegt, mit Schweigen,
Wie bei dem Opferdienst die Priesterin,
In Sorgfalt nur und treuem Tun bezeigen:
So ist mein ganzes Sein um dich gefaltet
Und hat nach keinem Äussren mehr Bestreben,
Als seien Ziel und Fernsicht ihm entschwunden
Und jede Sehnsucht fast in mir erkaltet:
Und ist mir doch, ich sei, dir hingegeben,
Der Welt und allem Menschenlos verbunden.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Beschränkung“ von Hedwig Lachmann thematisiert in ruhiger, reflektierender Sprache eine Form der völligen Hingabe und Selbstaufgabe in der Liebe. Die Sprecherin beschreibt ein Leben, das sich einzig auf den Geliebten konzentriert, in einer Mischung aus stiller Treue, innerer Abgeschlossenheit und zugleich einer tiefen, paradoxen Verbundenheit mit der Welt. Es ist eine Liebeserklärung, aber auch eine zarte Kritik an der Enge, die aus dieser Hingabe entsteht.
Im ersten Teil des Gedichts zieht die Sprecherin einen Vergleich zu „jene[n] Frauen von einfältgem Sinn“, die sich mit stiller Demut ihren Ehemännern unterordnen. Diese Frauen zeigen ihre Liebe nicht durch Worte oder Leidenschaft, sondern durch Dienst, Sorgfalt und ein Leben in stummer Loyalität. Die Wahl des Begriffs „Priesterin beim Opferdienst“ deutet an, dass diese Hingabe fast kultisch oder religiös ist – ein tägliches, sich selbst verzehrendes Ritual.
Die Sprecherin erkennt sich selbst in dieser Haltung wieder: Ihr gesamtes Dasein ist „um dich gefaltet“, eine eindrucksvolle Metapher für die vollständige Zentrierung des Ichs auf das Du. Diese Faltung ist sowohl Schutz als auch Begrenzung. Alles „Äußere“, alles, was außerhalb der Beziehung liegt, hat seine Bedeutung verloren – Ziel und Fernsicht sind entschwunden. Dies zeigt die Beschränkung nicht nur im räumlichen, sondern vor allem im geistigen Sinn: Die Liebe wurde zur inneren Welt, die alles andere überlagert.
Besonders spannend ist die ambivalente Wendung im letzten Terzett. Obwohl die Sehnsucht „fast“ erkaltet ist – was auf eine gewisse emotionale Erschöpfung hindeutet – bleibt das Ich dennoch in der Hingabe lebendig. Und gerade durch diese vollständige Hingegebenheit fühlt sich die Sprecherin „der Welt und allem Menschenlos verbunden“. Das klingt zunächst widersprüchlich, eröffnet aber eine tiefere Deutung: In der Selbstaufgabe liegt auch ein universelles Mitgefühl, eine stille Solidarität mit allem Menschlichen.
Insgesamt ist „Beschränkung“ ein leises, aber intensives Gedicht über Liebe als selbstgewählte Einengung, die zugleich inneren Reichtum und eine unerwartete Weite birgt. Lachmann stellt damit Fragen nach Identität, Freiheit und den Grenzen der Selbsthingabe – ohne zu werten, aber mit großer psychologischer Feinfühligkeit.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.