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Abendgesang

Von

Wandre, Seele, nimm dir zum Geleit
Wind und Wolke, morgen bist du weit.

Frühe schimmert; Dämmrung schwindet ganz,
Dunst wird Bläue, Nebel wird zum Glanz.

Äther flutet flimmernd wie ein Meer:
Bist du jung? Bist du von alters her?

Sieh, die schwarzen Tannen stehen dicht!
Gipfel tauchen aus der fernsten Sicht.

Aus der Ebne, zwischen reifer Saat,
Blitzt ein Fluss herauf wie Silberdraht.

Kommt ein Dunkel, greift dir Sturm ins Haar,
Jagt Gewölk wie eine Flüchtlingsschar –

Streift dich Steingerölle, das da fiel:
Bist verirrt und findest doch dein Ziel.

Über Abend wird der Sturm gelind:
Schlafe, schlafe nur im offnen Wind!

Liegst so in der sternenreichen Nacht,
Leuchtest wie ein Bergsee aus dem Schacht.

Wandre, Seele, nimm dir zum Geleit
Wind und Wolke, morgen bist du weit.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Abendgesang von Hedwig Lachmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abendgesang“ von Hedwig Lachmann ist ein meditativer und zugleich mystischer Ausdruck der Reise der Seele. Zu Beginn wird die Seele aufgefordert, sich dem Wind und den Wolken anzuschließen, was auf eine symbolische Wanderung hinweist. Die Vorstellung einer Reise ist hier nicht nur physisch, sondern auch spirituell, wobei die Zukunft und das Unbekannte eine bedeutende Rolle spielen.

Die zweite Strophe beschreibt das Erwachen der Natur: Die Dämmerung verschwindet, und der Nebel verwandelt sich in ein leuchtendes Blau. Diese Bilder von Licht und Farbe stellen einen Übergang dar, der den Beginn einer neuen Etappe markiert. Es ist eine Reise von Dunkelheit zu Licht, von Unklarheit zu Klarheit, wobei auch die Frage nach dem Alter der Seele aufgeworfen wird. Der Wechsel zwischen den Zuständen symbolisiert das ewige Werden und Vergehen.

Das Gedicht beschreibt dann die Landschaft, die von „schwarzen Tannen“ und einem silbern glänzenden Fluss geprägt wird. Diese Szenen wirken gleichzeitig mystisch und erhaben, mit dem Bild des Flusses als Metapher für den fließenden, fortwährenden Verlauf des Lebens. Das Dunkel und der Sturm, der in der nächsten Strophe kommt, symbolisieren die Herausforderungen und Prüfungen auf dem Weg der Seele. Doch selbst im Sturm und der Dunkelheit findet die Seele ihr Ziel, was auf das Vertrauen in den Lebensprozess hinweist.

Die letzte Strophe bringt eine Wendung, in der der Sturm abklingt und die Seele sich in der nächtlichen Ruhe niederlässt. Die Metapher des „Bergsees“ und der „sternreichen Nacht“ stellt eine Vorstellung von Frieden und innerer Erfüllung dar. Der Schlaf im offenen Wind symbolisiert das Loslassen, das Vertrauen in das Leben und das Universum. Auch die Rückkehr zum Anfangsbild, das Wandern der Seele, deutet auf einen ewigen Zyklus hin. Das Gedicht endet mit der Bestätigung, dass die Seele morgen weiterzieht, was den kontinuierlichen Fluss des Lebens betont.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.