Kühle
Alles das ist nur ein Träumen,
Und ich sollte nie erwachen:
Das wär schön.
Denn der Tag hat kalte Farben,
Und die Wahrheit geht in Wolle,
Rauh und grau.
Wirklichkeit, die alte Vettel,
Zückt schon ihre Klapperschere
Und sie grinst:
Weg die bunten Seidenbänder,
Weg die langen Ringellocken,
Weg den Tand!
Und ein kurzer Krampf im Herzen
Und das alte böse Lachen:
Siehst du wohl?
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Kühle“ von Otto Julius Bierbaum thematisiert die Sehnsucht nach dem Traum und die daraus resultierende Abneigung gegenüber der kalten Realität. Das Gedicht beginnt mit einer klaren Aussage: Der Sprecher wünscht sich, niemals aus dem Traum zu erwachen, da dies die schönste aller Welten wäre. Diese Eröffnung verdeutlicht eine tiefe Unzufriedenheit mit der Realität und eine Flucht in eine idealisierte Vorstellung.
Der zweite Abschnitt beschreibt die Realität als etwas Kaltes, Graues und Raues. Die „kalten Farben“ des Tages stehen im Kontrast zur Wärme und Lebendigkeit des Traums. Die „Wahrheit geht in Wolle“ symbolisiert die Unschönheit und Unbehaglichkeit der Realität, die sich in ihrer groben Textur manifestiert. Die Personifizierung der „Wirklichkeit“ als „alte Vettel“ verstärkt den negativen Eindruck. Die Realität wird als eine böswillige Figur dargestellt, die mit ihrer „Klapperschere“ die schönen Dinge des Lebens vernichtet.
Die „Vettel“ schneidet die „bunten Seidenbänder“, die „langen Ringellocken“ und den „Tand“ weg, also all das, was das Leben bunt und verlockend macht. Diese Zerstörung der Schönheit und Freude wird mit einem „kurzen Krampf im Herzen“ und dem „alten bösen Lachen“ des Sprechers begleitet, was die innere Verzweiflung über die Konfrontation mit der kalten Realität unterstreicht. Das „Siehst du wohl?“ am Ende des Gedichts deutet auf eine zynische Akzeptanz des unvermeidlichen Leidens hin.
Insgesamt ist „Kühle“ ein melancholisches Gedicht über die Unvereinbarkeit von Traum und Wirklichkeit und die erdrückende Wirkung der Realität auf die menschliche Seele. Es ist eine Reflexion über die Sehnsucht nach dem Schönen, die Vergänglichkeit und die Unausweichlichkeit des Leidens. Die Kürze und die einfache Sprache des Gedichts tragen dazu bei, die Intensität des Gefühls der Verzweiflung und der Sehnsucht nach dem Traum zu verstärken.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.