Wohin denn, wohin denn so schnelle,
Du Mann mit der Elle?
Siehst nicht den schönen Regenbogen?
Frivoler Geselle!
Den eben will ich messen gehn.
Wär mir eine Art, so dazustehn
Und bloß die Farben anzusehn.
Ich bin gründlich!
Wohin denn, wohin denn so schnelle,
Du Mann mit der Elle?
Siehst nicht den schönen Regenbogen?
Frivoler Geselle!
Den eben will ich messen gehn.
Wär mir eine Art, so dazustehn
Und bloß die Farben anzusehn.
Ich bin gründlich!

Das Gedicht „Ach so!“ von Otto Julius Bierbaum ist eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Kunst und Nützlichkeit, von Ästhetik und Pragmatismus. Es beginnt mit einer direkten Ansprache an einen Mann, der eilig unterwegs ist. Die Fragestellung „Wohin denn, wohin denn so schnelle“ deutet auf eine gewisse Ungeduld des Sprechers hin, der sich nach dem Grund der Eile erkundigt. Der „Mann mit der Elle“ steht symbolisch für den Handwerker, den Messenden, den Praktiker, der sich der Welt der konkreten Maße und des Nutzens verpflichtet fühlt. Die Frage nach seinem Ziel lenkt den Blick auf die Gegensätze, die im Gedicht verhandelt werden.
Der Kern des Konflikts wird in der Gegenüberstellung von „Regenbogen“ und dem Drang, diesen zu messen, sichtbar. Der Regenbogen als Naturphänomen ist Inbegriff des Schönen, des Unfassbaren, des Vergänglichen. Die Ästhetik wird hier durch die bloße Betrachtung des Regenbogens als das wahrhaft Erlebenswerte dargestellt. Doch der „frivole Geselle“ – die Bezeichnung deutet auf eine spielerische, fast neckische Distanz des Sprechers zum Angefragten – interessiert sich nicht für die Schönheit, sondern für das Messen. Er will die Dimensionen des Regenbogens erfassen, ihn in Zahlen und Fakten zerlegen.
Der letzte Teil des Gedichts zeigt die innere Zerrissenheit des Protagonisten, der sich eigentlich auch von der Schönheit des Regenbogens angezogen fühlt, jedoch seinem pragmatischen Wesen treu bleiben will. Er verspürt den Wunsch, „dazustehen / Und bloß die Farben anzusehn“, was einen Moment der Sehnsucht nach der Ästhetik widerspiegelt. Die Formulierung „wär mir eine Art“ zeigt jedoch ein Zögern, ein Unvermögen, sich der reinen Kontemplation hinzugeben.
Der abschließende Ausruf „Ich bin gründlich!“ ist als ironische Selbstcharakterisierung zu verstehen. Er betont einerseits das Pflichtgefühl des Mannes, seine gründliche Natur, sein Streben nach messbaren Ergebnissen. Andererseits entlarvt er die Begrenzung des Pragmatismus, die Unfähigkeit, die Schönheit der Welt unvoreingenommen zu erfahren. Das Gedicht spielt somit mit der Dialektik von Vernunft und Gefühl, von Nützlichkeit und Ästhetik und präsentiert eine subtile Kritik an der eindimensionalen Ausrichtung auf das Messbare.
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