Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , ,

Zwei Soldatenlieder

Von

In einem totenstillen Lied
vom Weh zum Wort die Frage zieht:
Wer weiß wo.

Wer weiß, wo dieses stille Leid
begraben liegt, es lärmt die Zeit
vorüber so.

Sie schweigt nicht vor der Ewigkeit
und stirbt und ist doch nicht bereit
zur letzten Ruh.

In einem lebenslauten Lied
vom Wahn zum Wort die Frage zieht:
Wer weiß wozu!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Zwei Soldatenlieder von Karl Kraus

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Zwei Soldatenlieder“ von Karl Kraus kontrastiert auf eindrucksvolle Weise zwei verschiedene Zustände des Leidens und der existenziellen Fragen. Das erste „tote stille Lied“ beschreibt das Leiden, das in der Stille und Unausgesprochenheit verharrt. Es wird eine Frage aufgeworfen: „Wer weiß, wo?“ – eine Suche nach dem Ursprung des Leids, das in der Zeit begraben liegt, aber dennoch nicht zur Ruhe kommt. Diese Stille und Unklarheit stehen in starkem Gegensatz zur „lärmenden“ Zeit, die weiterzieht, während das stille Leid in seiner Begrenztheit und Unfassbarkeit verweilt.

Die Zeilen „Sie schweigt nicht vor der Ewigkeit / und stirbt und ist doch nicht bereit / zur letzten Ruh“ deuten darauf hin, dass das Leid unaufhörlich weiterlebt, selbst wenn die Zeit voranschreitet. Die Ewigkeit erscheint hier als eine Dimension, die das Leid nicht überwindet, sondern vielmehr eine Spannung erzeugt, die nicht zur Ruhe kommen kann. Es wird ein Bild der unvollständigen Versöhnung mit dem Tod gezeichnet, als ob das Leid die letzte Ruhestätte nicht erreicht und immer in einer Art Schwebezustand verbleibt.

Im zweiten „lebenslauteren Lied“ wird der Wahn und der existenzielle Aufschrei zum zentralen Thema. Das Lautere, Lebendigere steht im Kontrast zur Stille des ersten Teils, doch auch hier wird eine Frage gestellt: „Wer weiß wozu?“ Diese Frage verweist auf die Sinnlosigkeit und die Vergeblichkeit, die der Krieg und das Leben in seiner extremen Form hervorrufen. Die plötzliche Lautstärke und der Wahn lassen keine Antwort auf die Frage des „Wozu“ zu – es bleibt eine Leere, ein leerer Schrei nach Sinn inmitten des Chaos.

Die beiden Lieder symbolisieren zwei unterschiedliche Formen des Leidens: das stille, unergründliche Leid, das von der Zeit nicht geheilt wird, und das laute, sinnlose Leid, das durch den Wahn und die Verwirrung der Existenz verursacht wird. Beide Lieder stehen in einer existenziellen Spannung, die weder in der Stille noch in der Lautstärke eine Antwort auf die großen Fragen des Lebens und des Leids finden. Kraus’ Gedicht fordert den Leser heraus, über den tieferen Sinn von Schmerz und Leben nachzudenken und die Unlösbarkeit dieser Fragen zu akzeptieren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.