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Unmögliches

Von

Bevor mein Blick den Zauber noch getrunken,
Der, wie die Farbenpracht am Demant glüht,
Dich tausendfach, doch immer neu, umblüht,
Horcht ich dem Freund, in Ahnungen versunken.
Wir sehn des Berges Haupt in Purpur prangen,
Wenn schon die Sonne sank und Dämmerung
Den Hain umflort: so strahlt Erinnerung
An dich, Geliebte, von des Freundes Wangen.
Begeistert taucht′ er in des Busens Tiefen
Den Pinsel, und er malte warm und mild
Dem selgen Horcher dein entzückend Bild,
Gefühle weckend, die seit lange schliefen.
Doch wie′s dem Dichter nimmer will gelingen,
Des Busens Drang ins enge Wort zu zwingen.
Hinüber uns in seine Welt zu singen;
So hat der Freund vergebens dich gemalt,
Sie nicht erreicht, die göttliche Gestalt,
Und deiner Seele stille Allgewalt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Unmögliches von Nikolaus Lenau

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Unmögliches“ von Nikolaus Lenau reflektiert über die Unzulänglichkeit der Sprache und der Kunst, das Wesen der geliebten Person vollständig zu erfassen und darzustellen. Es beginnt mit dem Moment des ersten Eindrucks, der Anziehungskraft der Geliebten, die wie ein leuchtender Diamant erscheint. Gleichzeitig wird jedoch bereits die Ahnung des Scheiterns spürbar, eine Vorahnung, die durch die vertraute „Ahnung“ des Freundes verstärkt wird. Der Dichter bereitet hier den Boden für die spätere Kritik am Versuch, das Unfassbare in Worte oder Bilder zu fassen.

Das Gedicht entwickelt dann eine Metapher der Malerei, die das Scheitern noch deutlicher macht. Der Freund, der die geliebte Person malen möchte, taucht seinen „Pinsel in des Busens Tiefen“. Diese Metapher deutet auf eine tiefe emotionale Verbundenheit und den Versuch, die Gefühle, die die Geliebte auslöst, in einem Bild widerzuspiegeln. Die gelungene Beschreibung der Schönheit der Geliebten durch den Freund, die sogar lange vergessene Gefühle weckt, bleibt letztlich unzureichend, um das Wesen der Geliebten in seiner Gänze darzustellen.

Lenau vergleicht das Scheitern des Freundes mit dem des Dichters. Beide, Dichter und Maler, bemühen sich vergeblich, die wahre Essenz der geliebten Person zu erfassen und in die Welt zu transportieren. Der Vers „So hat der Freund vergebens dich gemalt“ verdeutlicht die zentrale Aussage des Gedichts: Die wahre „göttliche Gestalt“ und „deiner Seele stille Allgewalt“ sind mit den Mitteln der Kunst und Sprache unerreichbar. Es ist die Erkenntnis des Unmöglichen, die das Gedicht so eindringlich macht.

Die Sprache des Gedichts ist von hoher poetischer Qualität geprägt. Die Verwendung von Bildern wie dem „Zauber“ der geliebten Person, dem „Purpur prangen“ des Berges und dem „Pinsel“ des Freundes erzeugt eine sinnliche und emotionale Atmosphäre. Durch die Metaphern und den Vergleich zwischen Dichter und Maler gelingt es Lenau, die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung und Ausdrucksfähigkeit aufzuzeigen. Das Gedicht ist ein melancholischer Ausdruck des menschlichen Strebens nach Vollkommenheit und der gleichzeitigen Erkenntnis, dass diese im Bereich der Liebe und des künstlerischen Ausdrucks unerreichbar bleibt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.