Morgenlied
Meint ihr, Sterne löschen aus
Wenn der Morgen strahlt ins Haus?
Höher spielen Herzensflammen
In der lichten Morgenblendung
Und die schmelzen dann zusammen
Die getrennt durch Himmelswendung,
Die von ferne sich nur schauten,
Zu Vertrauten.
Meint ihr, Lampen löschen aus,
Wenn die Sonne strahlt ins Haus?
Freier flammt das Herz im Morgen,
Wie die Lampe, die vergessen,
Weil sie in dem Licht verborgen,
Dach und Haus entflammt vermessen,
Ach dann werdet ihr sie sehen,
Wenns geschehen!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Morgenlied“ von Achim von Arnim feiert den Aufbruch und die transformative Kraft des Morgens als Sinnbild für Liebe, Hoffnung und innere Erleuchtung. Der Morgen wird dabei nicht nur als Tageszeit beschrieben, sondern als symbolischer Neuanfang, der bestehende Grenzen überwindet und getrennte Seelen zusammenführt.
Schon in den ersten Versen stellt das lyrische Ich rhetorische Fragen: Meint ihr, Sterne oder Lampen verlören ihre Bedeutung, wenn das große Licht – die Sonne – erscheint? Diese Bilder stehen für inneres Leuchten, für Gefühle oder Erkenntnisse, die in der Nacht leise brennen, aber im Licht des Tages ihre volle Kraft entfalten. Das Herz spielt dabei eine zentrale Rolle als Träger von Glut und Sehnsucht, dessen Flammen im Morgenschein höher schlagen. Der Morgen bringt nicht etwa Vergessen oder Erlöschen, sondern Verschmelzung und Erfüllung.
Die zweite Strophe greift das Motiv erneut auf und vergleicht das Herz mit einer Lampe, die bei Tageslicht nicht mehr auffällt – jedoch gerade dann, wenn sie „Dach und Haus entflammt“, in ihrer Kraft sichtbar wird. Damit wird eine Art inneres Feuer beschrieben, das durch den Morgen nicht ausgelöscht, sondern befreit und gesteigert wird. Die Liebesmetaphorik kulminiert in der Vorstellung, dass das, was verborgen war, im Licht offenbar wird – ein Moment des Erkennens, vielleicht auch der Vereinigung.
Die wiederholte rhetorische Struktur verstärkt die suggestive Wirkung des Gedichts: Es will den Lesenden davon überzeugen, dass mit dem neuen Licht auch neue seelische Möglichkeiten erwachen. Trennung, Unsicherheit und Nacht werden überwunden. Stattdessen stehen Vertrauen, Nähe und die Entfaltung des Herzens im Zentrum.
Insgesamt entfaltet das Gedicht ein hoffnungsvolles Bild der Morgenzeit als spirituelle und emotionale Erweckung. Es verbindet Naturerscheinungen mit inneren Regungen und beschreibt eine poetische Welt, in der Licht nicht nur Helligkeit bedeutet, sondern Wärme, Erkenntnis und die Kraft, Seelen zu verbinden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.