Unsrer Königin
1807.
In diesem Lande haust und waltet
Ein fremder, kalter Schreckensgeist,
Der Alles theilt und Alles spaltet
Und jede schöne Form zerreißt.
Verderben brütet auf der Erde,
Am höchsten Leben zehrt der Tod,
Der auch der Glut auf Vesta′s Herde
Den Untergang im Sturme droht.
Soll auch das Heil′ge von uns weichen?
Wird unser Köstlichstes ein Raub?
Kann nichts der Götter Ohr erreichen,
Und sind sie jedem Flehen taub? –
Da fühlt ein überirdisch Wehen
Der frommen Beter kleine Schaar:
Es naht, erzeugt in Aethers Höhen,
Ein Götterbild sich dem Altar.
Die Heil′ge, die des Herdes pfleget,
Wann in den Krieg die Götter ziehn,
Die Herz und Seele sanft beweget,
In neuen Flammen zu erglühn –
Sie ist es, die ein junges Leben
Den schon erstarrten Formen beut,
Sie ist es, der sich jedes Streben
Für′s Heiligthum der Menschheit weiht.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Unsrer Königin“ von Max von Schenkendorf, verfasst im Jahr 1807, ist eine patriotische Hymne, die in Zeiten politischer Unruhe und Kriegswirren die Hoffnung auf eine Erneuerung und das Wiedererstarken des „Heiligen“ durch eine „Königin“ beschwört. Es spiegelt die tiefe Besorgnis des Dichters über die Zerstörung, die durch einen „fremden, kalten Schreckensgeist“ – eine Metapher für die napoleonischen Kriege und die damit verbundene politische Zerrissenheit – im Lande wütet.
Das Gedicht beginnt mit einer düsteren Beschreibung der Situation, in der alles geteilt, gespalten und zerstört wird. Der „Tod“ nährt sich am „höchsten Leben“ und bedroht sogar die „Glut auf Vesta’s Herde“, ein Symbol für das Heilige und Unantastbare. Die rhetorischen Fragen in den folgenden Strophen drücken die Verzweiflung und das Gefühl des Verlustes aus: „Soll auch das Heil’ge von uns weichen?“. Diese Fragen verdeutlichen die Sehnsucht nach Hoffnung und dem Glauben an eine übernatürliche Macht, die das Böse abwehren kann.
Die Wende vollzieht sich in der vierten Strophe, als die fromme Schar ein „überirdisch Wehen“ fühlt und ein „Götterbild“ sich dem Altar nähert. Diese „Königin“ verkörpert die Hoffnung auf Erneuerung und Heilung. Sie wird als diejenige beschrieben, die „Herz und Seele sanft beweget“ und „in neuen Flammen zu erglühn“ lässt. Sie ist es, die „ein junges Leben“ den erstarrten Formen schenkt und jedes Streben für das „Heiligthum der Menschheit“ weiht. Die Königin wird somit zur Verkörperung von Hoffnung, Leben und dem Schutz der Werte, die in den Kriegswirren bedroht sind.
Das Gedicht zeugt von einer tiefen Sehnsucht nach geistiger und moralischer Erneuerung, die in der schwierigen Zeit der napoleonischen Kriege für das deutsche Volk von Bedeutung war. Schenkendorf verwendet religiöse Bilder und eine erhabene Sprache, um die Bedeutung der Königin als Retterin und Beschützerin der nationalen Werte zu unterstreichen. Die „Königin“ steht stellvertretend für das, was er in der zerstörerischen Zeit zu retten versucht: Heimat, Glauben, Tradition und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.