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Sie siegende Kraft

Von

Dem Vaterlande geweiht am 3. August 1807.

Fernher hört man noch den Donner grollen,
In der Ferne klingt des Kriegers Speer –
Wir sind glücklich: unter uns erschollen
Ist des Friedens wundersüße Mär;
Von der Höh′, zu der es aufgeschwollen,
Sank allmählich schon das Schreckenmeer,
Und der Hoffnung Taube kommt geflogen,
Und am Himmel strahlt der ew′ge Bogen.

Auf zu ihm, aus irdischen Gebieten
Schwebt ein stilles heiliges Gemüth
Zu den Aetherdüften, zu den Blüten,
Die es dort mit Geistesblicken sieht,
Denen keines Sturmes Dräun und Wüthen
Ihren Schimmer, ihren Reiz entzieht.
Was der Geist gestaltet und gewoben,
Wird vom Zeitsturm nimmermehr zerstoben.

Künd′, o Harfensohn, in Hochgesängen
Deinem Volk es heute kühn und laut,
Was in seinen ernsten Zauberklängen
Dir das ew′ge Fatum anvertraut!
Mögen Kräfte sich an Kräfte drängen –
Tempel werden auf der Gruft gebaut,
Und so lang es bleibt, wie′s war, auf Erden,
Kann aus Blut und Krieg nur Friede werden.

In dem Heer geschaffner Wesen spiegelt
Sich des Vaters Klarheit tausendfach.
Alle Schranken hat sein Wink entriegelt,
Alle Kräfte sind zum Kampfe wach.
Ob mich auch der Seraph überflügelt,
Ring′ ich muthvoll auch dem Seraph nach:
Und der Wettstreit und das Spiel der Geister,
Ihre Kraft, ihr Aufruhr ehrt den Meister.

Es drängen sich Schaaren
Zu Kampf und Gefahren
Mit Lust herbei.
Sie steigen und fallen,
Und füllen die Hallen
Mit Siegsgeschrei.

Dort wölben sich Bogen,
Hier thürmen sich Wogen
Auf wilder See:
Doch Wogen verwallen
Und Siegsbogen fallen
Aus stolzer Höh′.

Die glänzender kriegten,
Reißt mit den Besiegten
Der Strudel fort.
Ein ewiges Treiben,
Hienieden kein Bleiben,
Kein Ruheport.

Oft strömen die Flammen
In eine zusammen
Nach langem Streit.
Und lieblich entfaltet
Die Sehnsucht, gestaltet
Sich in der Zeit.

Aber eine ew′ge Fehde waltet,
Die das Reich der Geister spaltet.
Zwei verschiedne Kräfte streben,
Können ewig keinen Einklang geben:
Untergang gilt′s oder Sieg!
Und der Krieg ist Gottes Krieg.
Soll der Heiland seine Welt erlösen,
Muß das Gute kämpfen mit dem Bösen.

Mag steigen, mag fallen
Ein ganzes Geschlecht –
In himmlischen Hallen
Nur waltet das Recht.
Von Krieg und von Frieden
Wird viel dort gesehn,
Wovon wir hienieden
Gar wenig verstehn.

Der Lorbeer, der das Haupt umschlinget,
Das siegend bis zum Indus dringet,
Ist er des Werthes Unterpfand?
Wol gibt es eine schön′re Größe,
Und Philipps Sohn fühlt seine Blöße,
Als Porus ruhig vor ihm stand.

Kraft nur wird der Sieg behalten,
Die unter trotzenden Gewalten
Den Gleichmuth zu bewahren weiß,
Nicht um ein eitles Lorbeerreis,
Nicht um das Lob der schwachen Menge
Sich kümmert, noch des Weges Länge;
Die, heiliger Begeist′rung voll,
Den Tempel, den sie gläubig schauet,
Drob einst der Sieger staunen soll,
In stiller Wirksamkeit erbauet.

Die der Himmel benedeite
Mit dem stillen Sinn,
Strebt verderbend nicht ins Weite,
Wie Prometheus hin,
Will das heil′ge Licht nicht
Von der Sonnenbahn,
Das Geduld und Muth und Glauben
Nur kann.
Nicht nach außen, nur nach innen
Strebt ein weiser Sinn,
Um das Kleinod zu gewinnen,
Still und mächtig hin.

Nehmt eure Telyn, meine Brüder,
Ihr Barden meines Vaterlands,
Und singt dem Neugebornen Lieder,
Um seine Wiege schlingt den Blütenkranz!

Noch waltet von innen
Die heilige Kraft,
Die jedem Beginnen
Vollendung schafft,

Gekräftigt, geläutert –
Von außen geschwächt,
Von innen erweitert
Voll Muth und Recht.

Verklärt durch die Gluten,
Von Palmen umlaubt,
Enthebt sich den Fluten
Des Königs Haupt.

Die Fülle der Schmerzen,
Des Mißgeschicks Hand
Schlingt fester um Herzen
Das Liebesband.

Die Liebe der Kinder
Bleibt immer sich gleich,
Sind Herzen gleich minder
In Reich.

Laßt Neulinge wandern
Zum fremden Altar –
Es zahlt für die Andern
Der Alten Schaar;

Der Auslandston schweiget
Beim preußischen Fest.
Ein Phönix entsteiget
Dem Flammennest.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Sie siegende Kraft von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sie siegende Kraft“ von Max von Schenkendorf ist eine hymnische Ode, die am 3. August 1807, nach dem Frieden von Tilsit und der Niederlage Preußens gegen Napoleon, entstand. Das Gedicht versucht, aus der Not eine Tugend zu machen, indem es die wahre Stärke nicht in militärischen Erfolgen, sondern in innerer Stärke, Glauben und der Hingabe an das Vaterland sieht. Die zentrale Botschaft ist, dass wahre Stärke aus dem Inneren kommt und nicht von äußeren Umständen abhängig ist.

Das Gedicht gliedert sich in verschiedene Abschnitte, die unterschiedliche Aspekte dieser inneren Stärke beleuchten. Zunächst wird der Frieden nach dem Krieg gefeiert und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ausgedrückt. Es folgt eine Beschwörung der geistigen Welt, in der die wahre Kraft und Unvergänglichkeit zu finden sind. Der Dichter betont, dass die wahre Größe nicht in militärischen Siegen liegt, sondern in der Fähigkeit, unter widrigen Umständen Gleichmut zu bewahren und sich auf innere Werte zu konzentrieren. Dies wird durch die Betonung von Geduld, Mut, Glauben und der stillen, aber wirksamen inneren Arbeit verdeutlicht.

Die zentralen Metaphern sind das ewige Ringen zwischen Gut und Böse, der Kampf der Geister und die Notwendigkeit, in der inneren Welt nach Frieden und Stärke zu suchen. Der Dichter vergleicht die äußeren Kämpfe und das Auf und Ab von Ruhm und Macht mit vergänglichen Erscheinungen. Die wahre Größe liegt in der Fähigkeit, sich auf innere Werte zu konzentrieren, wie es in den Versen „Nicht nach außen, nur nach innen / Strebt ein weiser Sinn, / Um das Kleinod zu gewinnen, / Still und mächtig hin.“ zum Ausdruck kommt. Die Hoffnung auf eine Erneuerung Preußens, symbolisiert durch den Phönix, der aus der Asche aufsteigt, wird am Ende des Gedichts verstärkt.

Der Stil des Gedichts ist pathetisch und feierlich, mit rhetorischen Fragen, die die Leserinnen und Leser zum Nachdenken anregen sollen. Die Verwendung von religiösen und mythologischen Bildern (Seraph, Prometheus, Gottes Krieg) verleiht dem Gedicht eine erhabene Atmosphäre und betont die Bedeutung der inneren Werte. Der Autor appelliert an das Nationalgefühl und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, wobei er die Bedeutung von Opferbereitschaft und Patriotismus hervorhebt. Durch das Hervorheben der inneren Stärke und des Glaubens versucht Schenkendorf, die preußische Bevölkerung nach der Niederlage zu trösten und zu ermutigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schenkendorfs Gedicht eine Ermutigung an das preußische Volk nach der Niederlage durch Napoleon darstellt. Es ist ein Aufruf zur Besinnung auf innere Werte, Glauben und die Stärke des Geistes als Grundlage für eine Erneuerung des Vaterlandes. Die wahre Stärke liegt nicht im militärischen Ruhm, sondern in der Fähigkeit, aus der Not heraus eine neue Identität zu formen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu bewahren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.