Ich singe – doch wer hört mich an?
Ich singe – doch wer hört mich an?
Ein alter Mann
Und noch ein Kind vielleicht!
O gelänge mir ein Laut
Der bezwingend und vertraut
Jedem an die Seele reicht!
Wenn man eine Glocke goss
Warf ein Bräutigam den Stein
Seines Ringes und ein Held
Warf sein Schwert.. ihr Gürtelschloss
Warf die junge Frau hinein –
Jemand Reiches Gold und Geld
Kinder Bernstein und Koralle
Aber die die Schönste war
Tat von ihrem schönen Haar
Zum geschmolzenen Metalle …
Wenn dann vom Turm die Glocke sang
Sprach eins zum anderen: so klang
Dein Glück so mein Verscherzen!
So jubelt Ruhm so schluchzt Gebet! –
Mit seiner eigenen Sprache geht
Sie jedem Herz zu Herzen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ich singe – doch wer hört mich an?“ von Max Kommerell reflektiert das Thema des individuellen Ausdrucks und die Suche nach einer tiefen, universellen Verbindung durch Kunst und Kommunikation. Der Sprecher beginnt mit einer einfachen, aber tiefgründigen Frage: „Ich singe – doch wer hört mich an?“ Diese Frage zeigt eine tiefe Sehnsucht nach Gehör und Verständnis, die durch das Bild des „alten Mannes“ und des „Kindes“ auf eine mögliche Entfremdung hinweist. Das Singen des Sprechers bleibt möglicherweise ungehört, und es wird eine Distanz zwischen ihm und den anderen Menschen erkennbar.
In der zweiten Strophe wird die Vorstellung eines „Lautes“ vorgestellt, der „bezwingend und vertraut“ ist und „jedem an die Seele reicht“. Hier strebt der Sprecher nach einer Stimme, die eine tiefere Wirkung hat, die nicht nur gehört, sondern auch gefühlt wird. Es ist ein Ruf nach einer Verbindung, die über oberflächliche Wahrnehmung hinausgeht und in die tiefsten Schichten der menschlichen Seele eindringt. Dieses Streben nach einem universellen, wirkungsvollen Ausdruck wird weiter illustriert durch das Bild einer Glocke, die von verschiedenen Personen – einem Bräutigam, einem Held, einer jungen Frau und einem Reichen – mit symbolischen Objekten gefüllt wird. Jeder dieser Menschen bringt etwas von persönlichem Wert und Bedeutung in den gemeinsamen Klang ein.
Die letzte Strophe bringt die Symbolik der Glocke weiter und verbindet sie mit der Idee, dass jeder „sein Glück“ oder „sein Verscherzen“ auf seine eigene Weise zum Ausdruck bringt. Die Glocke, die „vom Turm sang“, wird zum Symbol für den kollektiven menschlichen Ausdruck und die gemeinsame Erfahrung von Glück, Ruhm und Gebet. In der Vorstellung des Sprechers verbindet der Klang der Glocke Menschen miteinander, obwohl sie unterschiedlich sind und unterschiedliche Wege gehen. Der „eigene Sprachklang“, der von jedem Menschen mitgebracht wird, geht „jedem Herz zu Herzen“. Dies bedeutet, dass trotz der individuellen Unterschiede eine universelle Sprache existiert, die über alle Grenzen hinweg gehört und verstanden wird.
Kommerell zeigt hier auf, dass der wahre Ausdruck und die Kommunikation nicht nur in der Fähigkeit zu sprechen oder zu singen liegen, sondern in der tiefen, symbolischen Bedeutung dessen, was geteilt wird. Die Glocke, die durch den Turm klingt, ist ein mächtiges Symbol für das gemeinsame menschliche Streben nach Bedeutung und Verbindung, das über die Oberfläche des Lebens hinausgeht und das Herz des Einzelnen erreicht. Das Gedicht betont die Kraft des künstlerischen Ausdrucks und die universelle Suche nach einer Sprache, die alle Menschen miteinander verbindet.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.