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Auf der Wanderung in Worms

Von

1814.

An Friedrich Freiherrn de la Motte Fouqué.

Wo blüht der Rosengarten?
Wo weilt die süße Maid?
Ich bin ihr aufzuwarten,
In Ehren hier bereit.

Die Rosen sind gebrochen
Vor einem rauhen Wind;
Der Hagen hat erstochen
Das Sigelindenkind.

Der Siegfried lag erschlagen
In Wunden blutig roth;
Da klangen bittre Klagen,
Da scholl Chriemhildens Noth.

Chriemhilde, Grimme, Holde,
Das war ein böser Dank,
Dein Schatz von rothem Golde,
Von süßer Huld versank.

Gen Worms will ich mich wenden.
Zur Stadt am grünen Strom,
Da prangt von Meisterhänden
Der alte heil′ge Dom.

Ich hörte viel vom alten
Untadligen Geschlecht;
Die Kämmerer verwalten
Hier wol das deutsche Recht.

Habt ihr es nicht vernommen,
Der Kaiser ist euch nah′?
Der Kaiser Franz wird kommen,
Und ist kein Dalberg da?

Wie fern hast du gesäumet,
O Wandersmann, wie weit?
Beim Heldenlied verträumet
Hast du das jüngste Leid.

Des Hagens böse Thaten
Erlebten wir aufs Neu′,
Vom Dalberg ward verrathen
Des Stammes Ruhm und Treu.

Und was noch ist geblieben
Von deutscher Heldenlust?
Zum Dienen und zum Lieben,
Was blieb der deutschen Brust?

Die Geister und die Sagen,
Der alten Tage Zier,
Die kann kein Feind erschlagen,
Sie weilen ewig hier.

Auch fließet noch zur Stunde
Der alte Rhein vorbei,
Der blieb dem Heldenbunde,
Den Heldenzeiten treu.

O sammelt euch, ihr Brüder,
Um diesen heil′gen Ort,
Erklingen soll hier wieder
Ein gutes deutsches Wort!

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Gedicht: Auf der Wanderung in Worms von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf der Wanderung in Worms“ von Max von Schenkendorf ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, Mythologie und dem Zeitgeist des frühen 19. Jahrhunderts. Es entstand im Jahr 1814 und spiegelt die Sehnsucht nach einer nationalen Einheit wider, die durch die napoleonische Besetzung zerrissen worden war. Das Gedicht greift auf das Nibelungenlied zurück, um die Themen Verrat, Verlust und die Suche nach Identität zu verhandeln.

Die ersten Strophen des Gedichts beziehen sich auf die tragischen Ereignisse des Nibelungenliedes. Die Fragen nach dem Rosengarten und der süßen Maid leiten ein Bild von Zerstörung und Leid ein. Siegfrieds Tod, Chriemhildens Rache und der Verrat des Hagen werden erwähnt, wobei die verblutete Wunden und die bittere Klagen die emotionale Schwere der Ereignisse verdeutlichen. Diese Passagen dienen als Metaphern für die Zerrissenheit und das Leid, das die deutsche Nation durchgemacht hat. Die „rauen Wind“ und die „rothen“ Blut symbolisieren die gewaltsamen Umstände der Zeit und die Zerstörung.

Im weiteren Verlauf des Gedichts richtet sich der Blick auf Worms und den Dom, welche als Symbole für das deutsche Erbe und die Tradition stehen. Der Dichter wendet sich an die „Kämmerer“ und erwähnt den Kaiser Franz, was auf die politische Situation und die Hoffnung auf eine Wiederherstellung des deutschen Reiches anspielt. Die Erwähnung des Kaisers, die in der historischen Realität auf das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bezogen ist, deutet auf das Bedürfnis nach Führung und Stabilität hin, sowie auf die Sehnsucht nach einer glorreichen Vergangenheit.

Die letzten Strophen des Gedichts drängen zur Reflexion über die gegenwärtige Situation und die Bewahrung der deutschen Identität. Die Frage nach dem Verbleib der „Heldenlust“ und der deutschen Werte wird aufgeworfen. Schenkendorf betont die Bedeutung von Geist, Sagen und der treuen Natur, repräsentiert durch den Rhein, als unvergängliche Elemente der nationalen Identität, die den Verrat und die Zerstörung überdauern. Der Aufruf an die Brüder, sich am „heil’gen Ort“ zu sammeln, deutet auf die Hoffnung, die Einheit wiederherzustellen und ein „gutes deutsches Wort“ erklingen zu lassen. Das Gedicht ist somit ein Aufruf zur Besinnung auf die kulturellen Wurzeln und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.