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An Vater Stillings Geburtstage

Von

den 12. September 1814.

»Dem Büchlein dein bin ich so hold«
Sang vor gar langer Zeit;
Auch mich hat früh das reine Gold
Aus diesem klaren Bach erfreut.

Wie hohen Patriarchen gleich,
Der Eberhard sein Haus regiert
Und wie sein Dortchen, fromm und weich,
Der treue Wilhelm heimgeführt.

O Köhlerlust im hohen Wald,
Ihr alten Schlösser, kühn gebaut,
In Stillings besten Liedern schallt
Von euch noch immerfort ein Laut.

Auf Bergen deine Wanderschaft,
Der alten Sagen junge Lust,
Und Gottes Treue, Gottes Kraft,
Die immer nah war deiner Brust.

Deß alles war mein Herz so voll,
Wir waren innig und bekannt,
Eh′ man des Fremdlings Namen wol,
Des Unbekannten, dir genannt.

Doch alles schwand vor höherm Strahl,
Als ich nun endlich selber kam,
Und manchen Gruß und manches Mahl
In deinem frommen Hause nahm.

Dein ganzes langes Leben stand
Verklärt auf deinem Angesicht,
Wie Botschaft aus dem Vaterland,
Ein Wiederschein vom ew′gen Licht.

Du Biedermann von alter Art,
Du Gottes-Zeuge, Christus-Held,
Der treu sein Stillings-Herz bewahrt
Am Hof und in der losen Welt.

O, segne mich, du Biedermann,
Auch mich in deiner Kinder Kreis,
Und meinen Gruß, mein Herz nimm an
Du lieber, frommer, starker Greis.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Vater Stillings Geburtstage von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Vater Stillings Geburtstage“ von Max von Schenkendorf ist eine Huldigung an den Schriftsteller Johann Heinrich Jung-Stilling, verfasst zu dessen Geburtstag im Jahr 1814. Es ist eine innige Anerkennung der literarischen und moralischen Bedeutung Stillings für den Dichter und für die Erbauung der Leserschaft. Schenkendorf ehrt Stilling als Wegweiser und Vorbild, dessen Werk ihm schon in jungen Jahren Freude bereitete. Die Verwendung von Begriffen wie „reines Gold“ und „klarer Bach“ deutet auf die Reinheit und Erbauung hin, die Schenkendorf in Stillings Schriften fand.

Das Gedicht vergleicht Stilling mit biblischen Figuren und anderen verehrungswürdigen Persönlichkeiten, etwa mit dem Patriarchen Eberhard, der sein Haus regiert, und mit Wilhelm, der seine „treue“ Frau heimführt. Diese Vergleiche unterstreichen Stillings Rolle als moralische Autorität und als Vorbild für ein tugendhaftes Leben. Die Zeilen über die „Köhlerlust im hohen Wald“ und „alten Schlösser, kühn gebaut“ verweisen auf Stillings romantische und volkstümliche Themen, die in seinen Werken erklingen. Die Erwähnung von Gottes Treue und Kraft, die in Stillings Brust gegenwärtig waren, verdeutlicht Schenkendorfs Wertschätzung von Stillings tiefer Frömmigkeit.

Die zweite Hälfte des Gedichts drückt die persönliche Wertschätzung des Dichters aus, der Stillings Werk und Person kennenlernte. Die „höherer Strahl“ bezieht sich auf das persönliche Zusammentreffen, das das frühere Lesererlebnis übertraf. Der Dichter beschreibt das „verklärte“ Antlitz Stillings als eine „Botschaft aus dem Vaterland“, einen Widerschein des ewigen Lichts, was Stillings Erscheinen als etwas Erhabenes und Geistliches darstellt. Die Widmung an den „Biedermann von alter Art“ und „Gottes-Zeuge“ unterstreicht Stillings Charakter als ehrlicher, frommer Mann und als Vorbild in einer moralisch fragwürdigen Welt.

Das Gedicht gipfelt in einer Bitte um Segen, in der Schenkendorf sich in Stillings „Kinder Kreis“ aufnimmt und seinen Gruß und sein Herz an den „lieben, frommen, starken Greis“ richtet. Dies verdeutlicht die tiefe Verehrung und den Wunsch nach spiritueller Führung, die Schenkendorf empfindet. Die abschließenden Verse sind ein Ausdruck des Dankes und der Bitte, die die Beziehung zwischen dem Autor und seinem verehrten Vorbild zusammenfasst. Insgesamt ist das Gedicht ein warmherziges, tief empfundenes Loblied auf einen Autor, der für Schenkendorf sowohl ein literarisches als auch ein moralisches Ideal darstellte.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.