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An Ferdinand Delbrück, beim Schlusse seiner ästhetischen Vorlesungen

Von

Königsberg 1812.

So sind wir fröhlich denn zum Ziel gekommen!
Durchzogen ist ein weites, reiches Land,
Wo wir so manch lebendig Wort vernommen;
Es war ein tiefer Strom, an dessen Rand
In leichter Barke wir so froh geschwommen;
Doch an dem holden Blüten-Ufer stand
Und ging ein Chor von herrlichen Gestalten –
O strebet, sie euch ewig fest zu halten!

Vom sel′gen Anschaun ist der Blick noch trunken.
Die sahen wir im Zauberspiegel,
Da lebten Bilder auf, da sprühten Funken
Durch unsre Seelen, lösend Schloß und Riegel.
Als wir in Andacht vor ihr hingesunken,
Entsprossen schmerzlich süß die Liebesflügel,
Was die Platone und die Diotimen
Für aller Seligkeit Beginnen rühmen.

Das herrliche Vermögen, diesen Traum
Verkörpert in das Leben einzuführen,
Den öden, wesenlosen, todten Raum
Mit himmlischen Gebilden auszuzieren
Und fest zu halten an des Kleides Saum
Die Göttin – was nur wenig Priester spüren
Und froh bekennen als des Himmels Gunst,
Solch Sehnen, solche Kraft, wir nannten′s

Und eine Insel hob sich aus den Wellen,
Da weilt die in Lorbeerhainen;
Es ruht Petrarka sinnend an den Quellen,
Im Lorbeer soll sich Laura ihm vereinen;
Ariosto will die Nacht um ihn erhellen,
Läßt Ritter, Damen, Zauberer erscheinen –
Vor allen aber ist der Preis beschieden
Dem ew′gen Klang, dem Wort des Mäoniden.

Schon glaubten wir die schöne Fahrt geendet,
Da ward noch eine Göttin uns gesandt.
Ihr klarer Blick war himmelan gewendet,
Doch Siegern gleich durchschritt sie jedes Land,
Vom ew′gen Recht schien sie herabgesendet,
Ein schlankes Richtmaaß zierte ihre Hand,
Zum Führer an verworrenen Gestaden
Bot sie uns Ariadnen gleich den Faden. –

Dies ist das Land, wohin sich sehnt hienieden,
Wen je ein Strahl von obenher beseelet,
Das sel′ge Land, wo Streit sich löst in Frieden,
Und Schönheit nur der Schönheit sich vermählet;
Doch ist nicht Jedem solches Glück beschieden,
Viel sind berufen, wenig sind erwählet,
Nur frommem Kindessinn ward es bereitet,
So hat es uns der Hierophant gedeutet.

Vollendet hat Er, will uns nun verschwinden,
Der edle Mann von deutscher Art und Kunst.
Eilt, ihn mit Liebesketten festzubinden!
Mit ew′gem Band umschlingt uns ja die Kunst;
Von Blumen schwillt der Kranz, den wir ihm winden,
Den heil′gen Lorbeer reichet ihm die Kunst,
Sein freundlich Antlitz strahlt in Moses Glanz –
»Wie zieret der bescheid′ne Mann den Kranz.«

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Gedicht: An Ferdinand Delbrück, beim Schlusse seiner ästhetischen Vorlesungen von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Ferdinand Delbrück, beim Schlusse seiner ästhetischen Vorlesungen“ von Max von Schenkendorf ist eine Huldigung an die Kunst und die Ästhetik, die anlässlich des Abschlusses der Vorlesungen von Ferdinand Delbrück verfasst wurde. Es preist die Schönheit, die Inspiration und die transformative Kraft der Kunst, die den Hörer in eine Welt der Ideale und der Erhebung führt. Das Gedicht ist in Form einer Ode aufgebaut und verwendet eine gehobene, fast pathetische Sprache, um die Bedeutung der Kunst und die Wertschätzung des Lehrers auszudrücken.

Das Gedicht beginnt mit der Freude über das erreichte Ziel und beschreibt eine Reise durch ein „weites, reiches Land“, das durch die Vorlesungen erschlossen wurde. Dieses Land ist gefüllt mit „lebendigen Worten“ und „herrlichen Gestalten“, die die Zuhörer in ihren Bann ziehen. Der erste Abschnitt etabliert die Freude über das gemeinsame Erleben und die Schönheit, die in der Kunst gefunden wurde. Die Anspielung auf die griechische Mythologie (Gestalten) deutet auf die klassische Bildung und die idealistische Sichtweise des Autors hin. Die Kunst wird als ein „tiefer Strom“ beschrieben, der die Zuhörer mitnimmt, und gleichzeitig als ein „holdes Blüten-Ufer“, das Schönheit und Inspiration bietet.

Der zweite Abschnitt vertieft die Wirkung der Kunst auf die Seele. Der „Zauberspiegel“ und die „Funken“ symbolisieren die transformative Kraft der Kunst, die die Zuhörer von ihren Fesseln befreit. Die „Liebesflügel“ deuten auf die erotische Komponente der Kunstauffassung an, die Schenkendorf mit der platonischen Liebe und der Diotima in Verbindung bringt. Hier wird die Kunst als ein Weg zur Erleuchtung und zur Seligkeit gesehen, eine Erfahrung, die weit über den Alltag hinausgeht. Die Kunst wird als ein Medium betrachtet, das die Grenzen der Realität überwindet und eine tiefgreifende emotionale und spirituelle Erfahrung ermöglicht.

In den folgenden Abschnitten werden die verschiedenen Aspekte der Kunst weiter erörtert. Die Erschaffung von Schönheit aus dem „wesenlosen, todten Raum“ wird als göttliche Gabe gefeiert. Der dritte Abschnitt widmet sich der literarischen Welt und nennt bekannte Namen wie Petrarka, Laura, Ariosto und Homer, die als Beispiele für die Unsterblichkeit der Kunst dienen. Der vierte Abschnitt führt die Figur der Göttin der Kunst ein, die als Führerin auf dem Weg zur Erkenntnis dient. Hier wird die Kunst als ein Wegweiser betrachtet, der dem Hörer hilft, sich in der komplexen Welt zurechtzufinden und das ewige Recht zu verstehen.

Das Gedicht endet mit einem Loblied auf Delbrück und der Aufforderung, ihn mit „Liebesketten“ an die Kunst zu binden. Der „Kranz“ aus Blumen und Lorbeer, der ihm gewunden wird, symbolisiert die Dankbarkeit und Wertschätzung für seine Lehrtätigkeit. Der Bezug zum „Moses Glanz“ deutet auf die Weisheit und Erleuchtung hin, die er den Zuhörern vermittelt hat. Das Gedicht gipfelt in der Erkenntnis, dass nur der „fromme Kindessinn“ Zugang zur Kunst und zur wahren Schönheit findet, und schließt mit einem Bekenntnis zur unsterblichen Kraft der Kunst.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.