Das große Feuerwerk
Das große Feuerwerk ist nun verpufft.
Und, tausend losgespritzte Fünkchen, hängen
Noch kleine Sterne in des Dunkels Fängen.
Die Nacht ist lang.
Ich lehn‘ am Baum und sinn‘ am Himmel hin
Und sehe wieder dünnen Sprühgoldregen
Dem Teich enttanzen, sich vertropfend legen.
Die Nacht ist lang.
Weiß ist mein Hut, mein Kleid ist leicht; mich friert.
Bleich blühten Chrysantemen ob den Wellen,
Zerrieselten in sieben ros’ge Quellen.
Die Nacht ist lang.
Ich such‘ die Bank und warte, hart geduckt.
Es duckte sich die Schlange, pfiff im Sprunge
Und zischte rasend auf mit glüher Zunge.
Die Nacht ist lang.
Ich wärme meine starren Hände nicht.
Aus Schwarz und Schimmer stieg ein Palmenfächer,
Der zückte Silberspeere auf die Dächer.
Die Nacht ist lang.
Mein Auge schläfert, aber unterm Lid
Kreist noch das Sonnenrad mit leisem Singen,
Und grüne Ringe gehn aus roten Ringen.
Die Nacht ist lang.
Das große Feuerwerk ist längst verpufft.
Zwölf Schläge tut es irgendwo im Weiten –
Ich geh‘ wohl heim, weil so die Füße schreiten.
Du kommst nicht mehr.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das große Feuerwerk“ von Gertrud Kolmar ist ein poetisch-melancholisches Bild über das Vergehen von Hoffnung, das Nachglühen vergangener Schönheit und die stille Erfahrung von Einsamkeit. In einer durchkomponierten Struktur – jede Strophe schließt mit dem Refrain „Die Nacht ist lang“ – entfaltet Kolmar eine Szene, die zugleich konkret beobachtet und tief symbolisch aufgeladen ist.
Im Zentrum steht das Bild des abgeklungenen Feuerwerks – einst hell, laut und prachtvoll, nun nur noch eine ferne Erinnerung. Die „tausend losgespritzten Fünkchen“, die noch in der Dunkelheit hängen, wirken wie verblassende Träume oder Gedanken, die sich nicht ganz verflüchtigt haben. Die wiederkehrende Zeile „Die Nacht ist lang“ trägt nicht nur zeitlich, sondern auch emotional: Sie ist Ausdruck der Leere nach einem Höhepunkt, der Einsamkeit nach der Erwartung.
Die Naturbeobachtungen – Sprühregen, Chrysanthemen, Palmenfächer – sind poetisch verdichtet und voller zarter, aber unheimlicher Schönheit. Immer wieder wird Wärme angedeutet – das Feuer, der Glanz, das Licht –, doch sie bleibt dem lyrischen Ich unzugänglich. Die Kleidung ist „leicht“, es „friert“, die „Hände“ sind „starr“. Alles weist auf eine Isolation hin: Das Ich ist allein, verlassen, wartend.
In der vierten Strophe mischt sich ein Hauch von Bedrohung in die Szenerie: Die „Schlange“ duckt sich, zischt auf – ein Bild, das die Spannung zwischen Schönheit und Gefahr, Erwartung und Enttäuschung verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Handlung still – nichts geschieht mehr, außer dem inneren Kreisen von Erinnerung und Bild.
Der letzte Vers bricht dann die Erwartung endgültig: „Du kommst nicht mehr.“ Was zuvor in Naturbildern, Stimmung und Rückzug angedeutet wurde, findet hier seine schlichte, ernüchternde Aussage. Das Gedicht beschreibt somit nicht nur das Ende eines Feuerwerks, sondern das Ende eines Erlebens – vielleicht einer Liebe, vielleicht eines Traums, sicherlich aber einer Hoffnung.
„Das große Feuerwerk“ ist ein stilles, kunstvoll komponiertes Gedicht über das Nachhallen von Schönheit in der Einsamkeit, über den Moment, wenn das Außen längst verstummt ist, aber das Innere noch voller Nachbilder glüht. Kolmar gelingt es, eine dichte Atmosphäre zwischen Schönheit und Schmerz zu erschaffen – eine lyrische Nacht voller Schweigen, Erinnern und langsamer Erkenntnis.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.