Ganz früh: Du tauchtest Dampf der morgendlichen Gärten
In meine Seele. Der blauen Sichel des Mondes
Namen gabst du, verwandt. Es reihten die Tiere
Dir sich gehorsam, Zauberer, der du die Blumen
Fremd im Abend beschworst zwischen Farrnkraut und Steinen.
Mich auch einmal. Und gehst mir weiter die fremden
Wege wie damals voran. Weißt schon den weißen
Schimmer des Haars. So reichst du, das Endliche kennend
Immer zuerst, den Tod wie damals den Tau, wie die Blumen.
Aber die Liebe verfließt, ein dunkles Gewässer
Ferne unendlich von Jedem einsam befahren.
Spülte mir niemals zur Seite, der dich trägt, den Nachen,
Hilfe verheißend. Es reichte mein Schrei
Nicht ins Land dir der Nacht: versink ich, erstrahlst du,
Tröstlich vielleicht, ein Letztes, verwandelt, als Stern.
An den Vater
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An den Vater“ von Maria Luise Weissmann ist eine bewegende Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Vater und Tochter, geprägt von Erinnerung, Abschied und der unausweichlichen Vergänglichkeit. Das Gedicht beginnt mit der Erinnerung an die Kindheit, an eine Zeit, in der der Vater eine allgegenwärtige und schützende Figur war, die die Welt erklärte und mit Magie erfüllte. Die Zeilen „Du tauchtest Dampf der morgendlichen Gärten / In meine Seele“ zeugen von einer tiefen emotionalen Präsenz, die den Vater als Quelle von Geborgenheit und Inspiration darstellt.
Die zweite Hälfte des Gedichts wendet sich dem Abschied und dem Verlust zu. Die Zeilen „Weißt schon den weißen / Schimmer des Haars. So reichst du, das Endliche kennend / Immer zuerst, den Tod“ deuten auf das Älterwerden des Vaters und die Konfrontation mit dem Tod hin. Die Tochter, die sich erinnert, nimmt die Rolle der Betrachterin ein, die das Ende des Vaters und die eigene Trauer durchlebt. Sie fühlt sich verlassen und allein, der Vater verlässt sie auf einem „fremden / Wege“
Die Metapher des „dunklen Gewässers“, das die Liebe verfließen lässt, symbolisiert die Entfremdung und das Gefühl der Einsamkeit, das die Tochter erlebt. Sie fühlt sich nicht unterstützt und getragen, während der Vater sich dem Tod nähert. Der Schrei, der „nicht ins Land dir der Nacht“ reicht, unterstreicht das Gefühl der Hilflosigkeit und des Verlustes, das die Tochter empfindet.
Trotz der Trauer und des Abschieds findet das Gedicht einen Moment der Hoffnung. Die Vorstellung, dass der Vater „verwandelt, als Stern“ erstrahlt, bietet einen Trost. Es ist ein Bild der Verklärung und des Fortlebens, das die Erinnerung an die Liebe und die Präsenz des Vaters in der Tochter weiterleben lässt. Dies spiegelt die tiefe Verbindung zwischen Vater und Tochter wider, die selbst durch den Tod nicht vollständig aufgelöst werden kann.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.