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Die Trennung

Von

Du wurdest ja so ernst, da sie die Leiche
Vorübertrugen;
Fürchtest du den Tod? „Ihn nicht!“
Was fürchtest du denn? „Das Sterben!“

Ich selbst dieses nicht. „Du fürchtest also nichts?“
Weh mir, ich fürcht‘, ich fürchte. „Beym Himmel! was?“
Den Abschied von den Freunden!
Und meinen nicht nur, ihren Abschied auch!

Das war’s, dass ich noch ernster als du;
Und tiefer in der Seel‘ es wurde,
Da sie die Leiche
Vorübertrugen.

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Gedicht: Die Trennung von Friedrich Gottlieb Klopstock

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Trennung“ von Friedrich Gottlieb Klopstock ist ein dialogisches Miniaturdrama, das auf knappe und eindringliche Weise existenzielle Ängste und die emotionale Tiefe menschlicher Bindungen thematisiert. In wenigen Zeilen wird ein Gespräch zwischen zwei Personen dargestellt, das sich um die Frage dreht, was am Tod eigentlich gefürchtet wird. Dabei offenbart sich eine zentrale Wahrheit: Nicht der Tod selbst, sondern der Abschied von geliebten Menschen ist das tiefste und schmerzlichste Erlebnis.

Eingeleitet wird das Gedicht durch eine Beobachtung: Eine Leiche wird vorübergetragen, und eine der beiden Personen wird dabei „ernst“. Diese äußere Situation löst eine existenzielle Reflexion aus. Die erste naheliegende Vermutung – die Furcht vor dem Tod – wird verneint. Stattdessen offenbart sich eine differenzierte Gefühlslage: Es ist nicht der Tod, sondern das „Sterben“, also der Prozess des Abschieds, der Furcht einflößt. Noch tiefer aber liegt die Angst vor dem Trennungsschmerz – der Verlust der Freunde und das Bewusstsein, dass auch sie von einem Abschied betroffen sind.

In der letzten Strophe kehrt sich das Verhältnis um: Nicht nur der Gesprächspartner war erschüttert, auch das lyrische Ich war von der Szene tief bewegt, ja noch mehr. Die Tatsache, dass eine Leiche vorübergetragen wurde, wird zum Auslöser stiller, aber intensiver seelischer Bewegung. Die äußere Stille kontrastiert mit der inneren Erschütterung – typisch für Klopstocks empfindsamen Ton.

Formal ist das Gedicht schlicht und direkt, fast wie ein Bühnenausschnitt. Die dialogische Struktur verleiht ihm Unmittelbarkeit und Authentizität. Dabei wirken die abgebrochenen Sätze, Fragen und Ausrufe sehr lebendig und machen die emotionale Spannung spürbar.

„Die Trennung“ bringt mit großer sprachlicher Ökonomie eine tiefe Wahrheit zum Ausdruck: Der wahre Schmerz liegt im Verlust der Nähe, in der Trennung von geliebten Menschen. Klopstock gelingt es, diese Einsicht mit großer Eindringlichkeit, aber ohne Pathos darzustellen – ein stilles, aber berührendes Gedicht über das Wesen des Abschieds.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.