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Die Gestirne

Von

Es tönet sein Lob Feld, und Wald, Thal, und Gebirg,
Das Gestad‘ hallet, es donnert das Meer dumpfbrausend
Des Unendlichen Lob, siehe des Herlichen,
Unerreichten von dem Danklied der Natur!

Es singt die Natur dennoch dem, welcher sie schuf,
Ihr Getön schallet vom Himmel herab, lautpreisend
In umwölkender Nacht rufet des Strahls Gefährt
Von den Wipfeln, und der Berg‘ Haupt es herab!

Es rauschet der Hain, und sein Bach lispelt es auch
Mit empor, preisend, ein Feyrer, wie er! die Luft wehts
Zu dem Bogen mit auf! Hoch in der Wolke ward
Der Erhaltung und der Huld Bogen gesetzt.

Und schweigest denn du, welchen Gott ewig erschuf?
Und verstumst mitten im Preis‘ um dich her? Gott hauchte
Dir Unsterblichkeit ein! Danke dem Herlichen!
Unerreicht bleibt von dem Aufschwung des Gesangs

Der Geber, allein dennoch sing, preis‘ ihn, o du,
Der empfing! Leuchtendes Chor um mich her, ernstfreudig,
Du Erheber des Herrn, tret‘ ich herzu, und sing‘
In Entzückung, o du Chor, Psalme mit dir!

Der Welten erschuf, dort des Tags sinkendes Gold,
Und den Staub hier voll Gewürmegedräng, wer ist der?
Es ist Gott! es ist Gott! Vater! so rufen wir;
Und unzählbar, die mit uns rufen, seyd ihr!

Der Welten erschuf, dort den Leun! Heisser ergiesst
Sich sein Herz! Widder, und dich Kaprikorn, Pleionen,
Skorpion, und den Krebs. Steigender wägt sie dort
Den Begleiter. Mit dem Pfeil zielet, und blitzt

Der Schütze! Wie tönt, dreht, er sich, Köcher, und Pfeil!
Wie vereint leuchtet ihr, Zwilling‘, herab! Sie heben
Im Triumphe des Gangs freudig den Strahlenfuss!
Und der Fisch spielet, und bläst Ströme der Glut.

Die Ros‘ in dem Kranz duftet Licht! Königlich schwebt,
In dem Blick Flamme, der Adler, gebeut Gehorsam
Den Gefährten um sich! Stolz, den gebognen Hals,
Und den Fittig in die Höh, schwimmet der Schwan!

Wer gab Melodie, Leyer, dir? zog das Getön
Und das Gold himlischer Saiten dir auf? Du schallest
Zu dem kreisenden Tanz, welchen, beseelt von dir,
Der Planet hält in der Laufbahn um dich her.

In festlichem Schmuck schwebt, und trägt Halm‘ in der Hand,
Und des Weins Laub die geflügelte Jungfrau! Licht stürzt
Aus der Urn‘ er dahin! Aber Orion schaut
Auf den Gürtel, nach der Urn schauet er nicht!

Ach gösse dich einst, Schaale, Gott auf den Altar,
So zerfiel Trümmer die Schöpfung! es bräch des Leun Herz!
Es versiegte die Urn‘! hallete Todeston
Um die Leyer! und gewelkt sänke der Kranz!

Dort schuf sie der Herr! hier dem Staub näher den Mond,
So, Genoss schweigender kühlender Nacht, sanft schimmernd
Die Erdulder des Strahls heitert! in jener Nacht
Der Entschlafnen da umstrahlt einst sie Gestirn!

Ich preise den Herrn! preise den, welcher des Monds
Und des Tods kühlender, heiliger Nacht, zu dämmern,
Und zu leuchten! gebot. Erde, du Grab, das stets
Auf uns harrt, Gott hat mit Blumen dich bestreut!

Neuschaffend bewegt, steht er auf zu dem Gericht,
Das gebeindeckende Grab, das Gefild der Saat, Gott!
Es erwachet, wer schläft! Donner entstürzt dem Thron!
Zum Gericht hallts! und das Grab hörts, und der Tod!

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Gedicht: Die Gestirne von Friedrich Gottlieb Klopstock

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Gestirne“ von Friedrich Gottlieb Klopstock ist ein hymnischer Lobpreis auf Gott als Schöpfer des Universums. In überwältigenden Bildern der Natur und des Himmelsgeschehens entfaltet Klopstock eine religiös durchdrungene Kosmologie, in der alle Elemente der Schöpfung – von der Erde bis zu den Sternbildern – als lobpreisende Stimmen in einem universellen Danklied erscheinen. Der Mensch wird dabei zugleich als Teil dieser Schöpfung und als besonders begnadetes Wesen hervorgehoben, das sich bewusst zum Lob Gottes erheben soll.

Die ersten Strophen beschreiben eindrucksvoll, wie die gesamte Natur das Lob Gottes singt: Wälder, Felder, Berge, das Meer, sogar das Licht und der Sturm wirken als „Stimmen“ der Schöpfung. Diese pantheistisch anmutende Einheit von Natur und Gottesanbetung verleiht dem Gedicht eine feierlich-erhabene Grundstimmung. Selbst die unbelebten Elemente erscheinen beseelt, als wären sie Teil eines kosmischen Chors. Die Natur wird dabei nicht nur als schön, sondern als geistig aktiv dargestellt – sie erkennt und ehrt ihren Schöpfer.

Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung der Sternbilder: Der Schütze, die Zwillinge, der Fisch, der Adler, der Schwan – sie alle sind nicht bloße Himmelsphänomene, sondern mythologisch aufgeladene Zeichen göttlicher Ordnung. Klopstock interpretiert die Sternbilder als Manifestationen des göttlichen Willens und als Sinnbilder eines höheren, ewigen Tanzes. Diese personifizierte Kosmologie erinnert an antike wie biblische Vorbilder und verbindet poetische Vorstellungskraft mit theologischer Tiefe.

Im Kontrast zur gewaltigen Himmelsinszenierung steht der Mensch, der sich oft der Anbetung entzieht. Klopstock mahnt: Wer von Gott mit Unsterblichkeit beschenkt wurde, darf im „Preis“ nicht schweigen. Gerade weil der Mensch mit Geist begabt ist, soll er sich mit den Gestirnen vereinen und seinen Schöpfer preisen. In diesem Sinne ist das Gedicht auch eine Ermahnung zur religiösen Wachsamkeit und Demut.

Das Gedicht endet mit einem mächtigen Ausblick auf das Jüngste Gericht. Die Gräber öffnen sich, der Tod wird überwunden, die Stimmen des Gerichts erschüttern das Universum. Hier verschmelzen Natur- und Heilsgeschichte in einem letzten Akt göttlicher Gerechtigkeit. In seinem umfassenden Bogen von der Schöpfung bis zur Wiedererschaffung der Welt zeigt „Die Gestirne“ Klopstocks tief verwurzelten Glauben an eine durchgeistigte Natur und eine göttlich geführte Geschichte – getragen von erhabener Sprache, religiöser Inbrunst und kosmischer Vision.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.