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An Fanny

Von

Wenn einst ich todt hin, wenn mein Gebein zu Staub‘
Ist eingesunken, wenn du, mein Auge, nun
Lang‘ über meines Lebens Schicksal,
Brechend im Tode, nun ausgeweint hast,

Und stillanbetend da, wo die Zukunft ist,
Nicht mehr hinauf blickst, wenn mein ersungner Ruhm,
Die Frucht von meiner Jünglingsthräne,
Und von der Liebe zu dir, Messias!

Nun auch verweht ist, oder von wenigen
In jene Welt hinüber gerettet ward:
Wenn du alsdann auch, meine Fanny,
Lange schon todt bist, und deines Auges

Stillheitres Lächeln, und sein beseelter Blick
Auch ist verloschen, wenn du, vom Volke nicht
Bemerket, deines ganzen Lebens
Edlere Thaten nunmehr gethan hast,

Des Nachruhms werther, als ein unsterblich Lied,
Ach wenn du dann auch einen beglückteren
Als mich geliebt hast, lass den Stolz mir,
Einen Beglückteren, doch nicht edlern!

Dann wird ein Tag seyn, den werd ich auferstehn!
Dann wird ein Tag seyn, den wirst du auferstehn!
Dann trennt kein Schicksal mehr die Seelen,
Die du einander, Natur, bestimtest.

Dann wägt, die Wagschaal in der gehobnen Hand,
Gott Glück und Tugend gegen einander gleich;
Was in der Dinge Lauf jetzt misklingt,
Tönet in ewigen Harmonicen!

Wenn dann du dastehst jugendlich auferweckt,
Dann eil‘ ich zu dir! säume nicht, bis mich erst
Ein Seraph bey der rechten fasse,
Und mich, Unsterbliche, zu dir führe.

Dann soll dein Bruder, innig von mir umarmt,
Zu dir auch eilen! dann will ich thränenvoll,
Voll froher Thränen jenes Lebens
Neben dir stehn, dich mit Namen nennen,

Und dich umarmen! Dann, o Unsterblichkeit,
Gehörst du ganz uns! Komt, die das Lied nicht singt,
Komt, unaussprechlich süsse Freuden!
So unaussprechlich, als jetzt mein Schmerz ist.

Rinn unterdess, o Leben. Sie komt gewiss
Die Stunde, die uns nach der Zypresse ruft!
Ihr andern, seyd der schwermuthsvollen
Liebe geweiht! und umwölkt und dunkel!

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Gedicht: An Fanny von Friedrich Gottlieb Klopstock

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Fanny“ von Friedrich Gottlieb Klopstock ist ein tief religiös und emotional geprägter Hymnus auf die unvergängliche Liebe über den Tod hinaus. Es verbindet die romantische Sehnsucht nach seelischer Vereinigung mit der Hoffnung auf eine himmlische Wiederbegegnung im Jenseits. In der Tradition des empfindsamen Pietismus und der religiösen Dichtung des 18. Jahrhunderts formuliert Klopstock eine Vision von Ewigkeit, Liebe und göttlicher Gerechtigkeit.

Bereits zu Beginn stellt das lyrische Ich den eigenen Tod in den Mittelpunkt: Der Körper vergeht zu Staub, das „Auge“ – Ort des Gefühls und der Verbindung – hat sein „Schicksal ausgeweint“. Die Sprache ist getragen, feierlich, und schon früh wird der Gedanke der Transzendenz eingeführt: Nach dem Tod blickt das Ich nicht mehr „hinauf“, sondern ruht in der Erwartung des kommenden Lebens. Die Erinnerung an die Geliebte, Fanny, und an das eigene dichterische Werk („mein ersungner Ruhm“) ist dabei eng verknüpft mit der Liebe zu ihr – beides wird als Quelle spiritueller Erhebung verstanden.

In den folgenden Strophen entfaltet sich die Vorstellung, dass auch Fanny gestorben sein wird und vielleicht einen „beglückteren“ Mann als den Sprecher geliebt haben könnte. Doch die Bitte des Ichs ist demütig: Wenn schon nicht der Glücklichste, so möge er wenigstens der Edlere gewesen sein. Hier offenbart sich Klopstocks Idealbild einer Liebe, die nicht auf Besitz oder Ausschließlichkeit beruht, sondern auf Tugend, Selbstlosigkeit und seelischer Tiefe.

Der emotionale Höhepunkt liegt in der Vorstellung der Auferstehung: Der „Tag“ der Wiederbegegnung in der Unsterblichkeit wird sehnsuchtsvoll beschworen. In einer himmlischen Ordnung, in der „Glück und Tugend“ gleich gewogen werden, sollen sich die jetzt getrennten Seelen wiederfinden. Diese „ewigen Harmonien“ sind das Gegenbild zur disharmonischen Welt der Gegenwart. Der Aufruf an Fanny, dem Sprecher entgegenzueilen, und die Umarmung mit ihrem „Bruder“ verstärken das Bild einer umfassenden, reinen Seelengemeinschaft.

Das Gedicht schließt mit einer Mischung aus resignierter Gegenwart und hoffnungsvoller Zukunft. Das „Leben“ rinnt dahin – ein Zwischenzustand, geprägt von „schwermuthsvoller Liebe“, Dunkelheit und Schmerz. Doch das Ziel ist klar: eine jenseitige Vereinigung, in der Liebe und Unsterblichkeit untrennbar verbunden sind. Klopstock gelingt hier ein Werk von erhabener Gefühlstiefe, in dem persönliche Empfindung, religiöser Trost und poetische Vision ineinandergreifen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.