Kriegslied der Deutschen
Zottelbär und Panthertier
Hat der Pfeil bezwungen;
Nur für Geld, im Drahtspalier
Zeigt man noch die Jungen.
Auf den Wolf, soviel ich weiß,
Ist ein Preis gesetzet;
Wo er immer hungerheiß
Nahtt, wird er gehetzet.
Reinecke, der Fuchs, der sitzt
Lichtscheu in der Erden,
Und verzehrt, was er stipitzt,
Ohne fett zu werden.
Aar und Geier nisten nur
Auf der Felsen Rücken,
Wo kein Sterblicher die Spur
In den Sand mag drücken.
Schlangen sieht man gar nicht mehr,
Ottern und dergleichen
Und der Drachen Greuelheer,
Mit geschwollnen Bäuchen.
Nur der Franzmann zeigt sich noch
In dem deutschen Reiche;
Brüder, nehmt die Keule doch,
Daß er gleichfalls weiche.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Kriegslied der Deutschen“ von Heinrich von Kleist ist ein drastisches, politisches Gedicht, das sich mit den Auswirkungen von Krieg und Gewalt auf das menschliche und tierische Leben auseinandersetzt. In einer wilden Metaphorik beschreibt Kleist die Auswirkungen der Kriegs- und Zerstörungslust, wobei die Tiere als Symbol für die verletzten, unterdrückten oder befallenen Völker stehen. Der Zottelbär und das Panthertier, die im ersten Vers besungen werden, sind nur der Anfang einer Kette von Verwandlungen, die der Dichter in der Natur und in der Gesellschaft skizziert.
Kleist nutzt die Tiere, um die Menschen darzustellen, die vom Krieg gezeichnet sind. Der Bär und das Panthertier, die von einem Pfeil bezwungen werden, symbolisieren die Opfer des Krieges, die für Macht und Reichtum geopfert werden. Das Bild der „Jungen im Drahtspalier“ deutet auf die Verrohung hin, die in der Gesellschaft durch die Machenschaften der Kriegstreiber entstanden ist, wobei die Unschuld der jüngeren Generation im Kampf für politische Interessen geopfert wird. Die Wiederholung von Tieren, die gehetzt oder zerstört werden, zeigt die grausamen Folgen des Krieges und die verkommene Moral derer, die ihn führen.
In den folgenden Versen beschreibt Kleist Tiere, die in ihrer natürlichen Umgebung zu überleben versuchen. Der Fuchs, der in der Erde sitzt und ohne „fett zu werden“ das erbeutet, was er finden kann, stellt den Überlebenskampf derer dar, die inmitten des Krieges nach einem Ausweg suchen. Die Vögel, wie der Aar und der Geier, die sich nur noch an unberührten Orten niederlassen, verdeutlichen das Bild der Zerstörung und des Verfalls in einer Welt, die von Krieg und Gewalt beherrscht wird.
Das Gedicht endet mit einem Appell an die „Brüder“ der deutschen Nation, sich gegen den Feind, symbolisiert durch den Franzmann, zu erheben. Der Aufruf zur Gewalt und zum Widerstand spiegelt die politische Situation der Zeit wider und vermittelt den Eindruck, dass in einer kriegerischen Welt nur durch noch mehr Gewalt eine Veränderung möglich sei. Das Gedicht zeigt die Zerrissenheit der Gesellschaft und die fehlende Möglichkeit zu einem anderen, friedlichen Handeln, was es zu einem kraftvollen, aber düsteren Kommentar zur politischen Landschaft des frühen 19. Jahrhunderts macht.
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Lizenz und Verwendung
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