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Deutsches Volkslied

Von

Deutsches Volkslied

Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
Daß ich so traurig bin.
Und Friede, Friede überall,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Kaiser Rotbart im Kyffhäuser saß
An der Wand entlang, an der Wand.
Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
Bist du, mein Bayerland!

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Ich rate dir gut, mein Sohn!
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Roßbachbataillon.

O selig, o selig, ein Kind noch zu sein,
Von der Wiege bis zur Bahr‘!
Mariechen saß auf einem Stein,
Sie kämmte ihr goldenes Haar.

Sie kämmt’s mit goldnem Kamme,
Wie Zieten aus dem Busch.
Sonne, du klagende Flamme:
Husch! Husch!

Der liebe Gott geht durch den Wald,
Von der Etsch bis an den Belt,
Daß lustig es zum Himmel schallt:
Fahr wohl, du schöne Welt!

Der schnellste Reiter ist der Tod,
Mit Juppheidi und Juppheida.
Stolz weht die Flagge Schwarzweißrot.
Hurra, Germania!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Deutsches Volkslied von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Deutsches Volkslied“ von Klabund ist eine kunstvolle Collage aus Zitaten, Anspielungen und Motiven bekannter deutscher Volkslieder und klassischer Dichtung. Es imitiert und parodiert die Form und Tonlage patriotischer und romantischer Lyrik, um dabei deren Pathos, ihre Widersprüche und ihre ideologischen Schattenseiten bloßzulegen. Die scheinbar unschuldig vertrauten Verse offenbaren bei genauerem Hinsehen ein tief ambivalentes Bild von Heimat, Nation und Tradition.

Klabund verflicht ikonische Zeilen wie „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“ (aus dem „Wacht am Rhein“) oder „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?“ (aus Goethes „Erlkönig“) mit persönlichen, melancholischen Versen wie „Daß ich so traurig bin“. Dadurch entsteht eine Art lyrischer Zersetzung des Nationalmythos: Das Gedicht montiert Bruchstücke des kollektiven Gedächtnisses, um ihre innere Leere oder gar Bedrohlichkeit aufzuzeigen. Der Übergang von romantischer Schwärmerei („Mariechen saß auf einem Stein“) zur finalen Strophe mit „Der schnellste Reiter ist der Tod“ zeigt einen Stimmungswechsel, der auf die dunkle Kehrseite der nationalen Erzählungen verweist.

Auch das Spiel mit Figuren wie „Kaiser Rotbart“, dem schlafenden Reichsgründer im Kyffhäuser, oder dem „Roßbachbataillon“, das an preußisch-militärische Traditionen erinnert, bringt eine ironische Brechung: Diese Symbolfiguren werden nicht heroisch verklärt, sondern erscheinen wie Schatten vergangener Zeiten – ausdruckslos, fragmentarisch, fast gespenstisch. Der Refrainartige Ausruf „Hurra, Germania!“ am Ende wirkt dadurch nicht als patriotisches Bekenntnis, sondern wie ein hohler Nachruf.

Klabund spielt in diesem Gedicht mit Erwartungen: Was wie ein harmloses oder traditionelles „Volkslied“ beginnt, zerfällt in ein Mosaik aus Trauer, Satire und Abgesang. Die Verschränkung von Kinderliedhaftem („Juppheidi und Juppheida“) mit Tod und Krieg wirkt verstörend und zeigt, wie sehr kulturelle Prägung und Gewalt in der Sprache miteinander verflochten sein können. Damit wird das Gedicht zu einer kritischen Reflexion über kollektive Identität, die zwischen Idealisierung und Desillusionierung schwankt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.